18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil09.06.2015

Vorverlegung eines Fluges um mehrere Stunden ist als Annullierung anzusehen und begründet Anspruch auf Ausgleichs­zahlungBGH zum Anspruch auf Ausgleichs­zahlung bei Vorverlegung eines Fluges

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine mehr als geringfügige Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luft­verkehrs­unter­nehmen als eine Annullierung des Fluges anzusehen ist, die einen Ausgleichs­an­spruch nach Art. 7 Abs. 1 der Flug­gast­rechte­verordnung begründen kann.

Die Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens begehrten Ausgleichs­zah­lungen in Höhe von jeweils 400 Euro nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c* i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b** der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen).

Sachverhalt

Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftver­kehrs­un­ter­nehmen Flüge von Düsseldorf nach Fuerteventura und zurück. Der Rückflug sollte am 5. November 2012 um 17.25 Uhr durchgeführt werden. Am 2. November 2012 informierte die Beklagte die Kläger, dass der Flug auf 8.30 Uhr vorverlegt worden sei. Die Kläger sind der Auffassung, die Vorverlegung des Fluges um etwa 9 Stunden begründe eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausgleich­zahlung, weil die Flugzei­t­än­derung eine Annullierung gewesen sei, zumindest aber einer deutlichen Verspätung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gleichgestellt werden müsse.

LG: Vorverlegung eines Fluges ist keine Annullierung

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Landgericht Hannover entschied, dass eine Vorverlegung eines Fluges keine Annullierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c* i.V.m. Art. 2 Buchst. l*** der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung sei. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Vorschriften wie im Falle der großen Verspätung eines Fluges lägen nicht vor.

"Vorverlegung" der ursprünglichen Flugplanung um mehrere Stunden stellt Aufgabe des Flugs dar

Der Bundes­ge­richtshof bewertete den Sachverhalt vorläufig wie folgt: Jedenfalls in einer mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftver­kehrs­un­ter­nehmen liegt eine - mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene - Annullierung des Fluges, die einen Ausgleichs­an­spruch nach Art. 7 Abs. 1 der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung begründen kann. Für eine Annullierung ist kennzeichnend, dass das Luftver­kehrs­un­ter­nehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgibt, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug verlegt werden. Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 und EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden ist. Die ursprüngliche Flugplanung wird auch dann aufgegeben, wenn ein Flug - wie im Streitfall - um mehrere Stunden "vorverlegt" wird.

Beklagte erkennt gegen sie geltend gemachten Anspruch an

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den gegen sie geltend gemachten Anspruch anerkannt. Auf Antrag der Kläger hat der Bundes­ge­richtshof die Beklagte danach im Wege des Anerkennt­ni­s­urteils zur Zahlung verurteilt.

* Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Erläuterungen
Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

[...] vom ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen ein Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

** Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe

[...] 400 Euro bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 und 3500 km, [...]

*** Art. 2 Buchst. l Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck [...]

"Annullierung" die Nicht­durch­führung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.

**** Art. 3 Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

(1) Diese Verordnung gilt [...]

(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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