23.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 10408

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Urteil14.10.2010BundesgerichtshofXa ZR 15/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2011, 355Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2011, Seite: 355
  • NZV 2011, 185Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2011, Seite: 185
  • RRa 2011, 33Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2011, Seite: 33
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Spandau, Urteil28.02.2009, 3 C 9/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil23.11.2009, 20 U 62/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.10.2010

Flugverspätung: BGH zur Bemessung des Ausgleichs­an­spruchs bei Annullierung eines Zubringerflugs auf einem Flug mit mehreren TeilstreckenBei Annullierung eines Teilstre­ckenflugs hat Reisender Anspruch auf Koste­n­er­stattung für Gesamtstrecke

Kommt es bei Flugreisen mit mehreren Teilstrecken zur Annullierung eines Zubringerfluges, hat der Reisende nicht nur Anspruch auf Ausgleichs­zahlung für eine Teilstrecke, sondern kann eine Entschädigung für die gesamte Strecke verlangen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Das klagende Luftver­kehrs­un­ter­nehmen KLM macht einen nach Grund und Höhe unstreitigen Anspruch auf Vergütung für einen Flug von Berlin über Amsterdam nach Curaçao und zurück nach Amsterdam geltend. Der Beklagte hat gegenüber der auf Zahlung des Flugpreises und Erstattung der vorge­richt­lichen Anwaltskosten gerichteten Klage mit einem Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (Flugga­st­rech­te­ver­ordnung)* wegen Stornierung der ersten Teilstrecke eines Flugs durch die Beklagte im Mai 2005 aufgerechnet. Dieser Flug von Berlin nach Amsterdam war für den 3. Mai 2005 um 11.40 Uhr vorgesehen, der Anschlussflug von Amsterdam nach Aruba sollte um 14.25 Uhr starten. Ungefähr zwei Stunden vor dem Abflug aus Berlin zog die Klägerin die Flugscheine ein und gab stattdessen Flugscheine für einen Flug am darauf folgenden Tag mit Abflug in Berlin um 9.05 Uhr und Abflug in Amsterdam um 14.25 Uhr aus. Der Beklagte und seine Ehefrau kamen deshalb einen Tag später als geplant in Aruba an.

Flugge­sell­schaft nicht von Zahlungen wegen außer­ge­wöhn­licher Umstände laut Flugga­st­rech­te­ver­ordnung befreit

Das Amtsgericht Berlin-Spandau hat den Gegenanspruch des Beklagten in Höhe von 600 Euro pro Person als begründet angesehen und deshalb die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist im Ergebnis erfolglos geblieben. Das Berufungs­gericht hat angenommen, dass der Beklagte für jede Teilstrecke einen gesonderten Ausgleichsanspruch geltend machen könne. Für die Strecke zwischen Berlin und Amsterdam stehe dem Beklagten wegen der Annullierung des Flugs ein Entschä­di­gungs­an­spruch in Höhe von 250 Euro pro Person zu. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zahlung wegen nicht vermeidbarer außer­ge­wöhn­licher Umstände nach Art. 5 Abs. 3 der Flugga­st­rech­te­ver­ord­nung** lägen nicht vor. Für die Strecke Amsterdam – Aruba ergebe sich ein weiterer Ausgleichs­an­spruch von 600 Euro pro Person, weil die insoweit gegen den Willen des Beklagten erfolgte Umbuchung dieses Flugs einer Weigerung gleichkomme, den Beklagten zu befördern.

Für Bemessung der Ausgleichs­zahlung ist nicht nur Entfernung zum Zielort des annullierten Zubringerflugs maßgeblich

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat er – anders als das Berufungs­gericht und ähnlich wie das Amtsgericht – ausgeführt, dass dem Beklagten schon wegen der Annullierung des Fluges von Berlin nach Amsterdam ein Ausgleichs­an­spruch von 600 Euro pro Person zusteht. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts ist für die Bemessung der Ausgleichs­zahlung nicht nur die Entfernung zum Zielort des annullierten Zubringerflugs maßgeblich. Vielmehr sind im Falle von direkten Anschlussflügen auch die weiteren Zielorte zu berücksichtigen, an denen der Fluggast infolge der Annullierung verspätet ankommt. Dies ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung*, der für die Höhe der Ausgleichs­zahlung an die Entfernung zum "letzten Zielort" anknüpft.

Bei Annullierungen gelten vergleichbare Regelungen wie bei Verspätungen am Endziel

Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach Hin- und Rückflug als gesonderte Flüge im Sinne von Art. 3 der Flugga­st­rech­te­ver­ord­nung*** anzusehen sind, spricht nicht gegen, sondern für diese Auslegung. Bestätigt wird dieses Ergebnis ferner durch die Rechtsprechung des EuGH zum Ausgleichs­an­spruch wegen erheblicher Verspätung. Dieser setzt voraus, dass der Fluggast das Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrt­un­ter­nehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht. Bei direkten Anschlussflügen im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Flugga­st­rech­te­ver­ord­nung**** ist mithin nicht eine Verspätung am Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich, sondern eine Verspätung am Endziel. Bei einer Annullierung kann nichts anderes gelten.

Argumente der Flugge­sell­schaft hinsichtlich einer Befreiung von Ausgleichs­zah­lungen wegen ungünstiger Wetter­be­din­gungen am Zielflughafen unbegründet

Das Argument der Klägerin, sie sei von der Ausgleichs­zahlung wegen ungünstiger Wetter­be­din­gungen in Amsterdam nach Art. 5 Abs. 3 der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung befreit, hat der Bundes­ge­richtshof als unbegründet angesehen. Die Klägerin hat nicht im Einzelnen vorgetragen, welche personellen, materiellen und finanziellen Mittel ihr zur Verfügung standen, um den annullierten Flug zum geplanten Zeitpunkt dennoch durchführen zu können, und auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen es ihr gegebenenfalls nicht zumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen.

*Art. 7 Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Ausgleichsanspruch

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe:

a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,

b) 400 EUR bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nicht­be­för­derung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

[…]

** Art. 5 Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Annullierung

[…]

(3) Ein ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichs­zah­lungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außer­ge­wöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

[…]

*** Art. 3 Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt

a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

b) sofern das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen ein Luftfahrt­un­ter­nehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen erhalten.

[…]

**** Artikel 2 Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

[…]

h) "Endziel" den Zielort auf dem am Abfer­ti­gungs­schalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberück­sichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

[…]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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