21.11.2024
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Dokument-Nr. 7187

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Urteil22.12.2008Gerichtshof der Europäischen UnionC-549/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • RRa 2009, 35Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2009, Seite: 35
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil22.12.2008

Luftfahrt­un­ter­nehmen muss bei Flugan­nul­lierung grundsätzlich Ausgleichs­zahlung leisten

Ein Luftfahrt­un­ter­nehmen darf es in aller Regel nicht ablehnen, Fluggästen nach der Annullierung eines Fluges wegen technischer Probleme des Flugzeugs eine Ausgleichs­zahlung zu leisten. Die Ausgleichs­zahlung darf allerdings verweigert werden, wenn die technischen Probleme auf Vorkommnisse zurückgehen, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrt­un­ter­nehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Die Verordnung über Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 - siehe Textende) bestimmt, dass die betroffenen Fluggäste im Fall der Annullierung eines Fluges Anspruch auf eine Ausgleichs­zahlung durch das Luftfahrt­un­ter­nehmen haben, sofern sie nicht hinreichend früh von der Annullierung des Fluges informiert werden. Ein Luftfahrt­un­ter­nehmen ist allerdings dann nicht zu einer solchen Ausgleichs­zahlung verpflichtet, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außer­ge­wöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Flug nach Brindisi annulliert

Frau Wallentin-Hermann buchte für sich, ihren Ehemann und ihre Tochter bei Alitalia drei Plätze für einen Flug von Wien über Rom nach Brindisi (Italien). Der Abflug ab Wien war für den 28. Juni 2005 um 6.45 Uhr vorgesehen und die Ankunft in Brindisi am selben Tag um 10.35 Uhr. Nach der Abfertigung wurde den drei Fluggästen fünf Minuten vor der geplanten Abflugzeit mitgeteilt, dass ihr Flug annulliert sei. Sie wurden sodann auf einen Flug der Gesellschaft Austrian Airlines nach Rom umgebucht, wo sie um 9.40 Uhr ankamen, das heißt 20 Minuten nach der Abflugzeit ihres Anschlussflugs nach Brindisi, den sie deshalb versäumten. Frau Wallentin-Hermann und ihre Familie erreichten Brindisi um 14.15 Uhr.

Flugabsage wegen komplexen Motorgebrechens

Die Annullierung des Fluges von Alitalia ab Wien ging auf ein komplexes Motorgebrechen in der Turbine zurück, das am Vorabend bei einer Überprüfung entdeckt worden war. Alitalia war davon in der Nacht vor dem Flug informiert worden. Die Reparatur des Flugzeugs, die die Beischaffung von Ersatzteilen und den Einflug von Technikern erforderte, wurde am 8. Juli 2005 abgeschlossen.

Alitalia verweigert Ausgleichs­zahlung

Angesichts der Weigerung von Alitalia, ihr eine Ausgleichs­zahlung in Höhe von 250 Euro und Ersatz für 10 Euro Telefonkosten zu zahlen, strengte Frau Wallentin-Herrmann ein Gerichts­ver­fahren an. Nachdem Alitalia Berufung gegen ihre erstin­sta­nzliche Verurteilung erhoben hat, hat nun das Handelsgericht Wien zu entscheiden, ob die technischen Probleme, die zur Annullierung des Fluges geführt haben, „außer­ge­wöhnliche Umstände“ waren, unter denen die Ausgleichs­pflicht entfällt. Das Handelsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um die Auslegung dieses Begriffs ersucht.

EuGH: Flugge­sell­schaft sieht sich verschiedenen technischen Problemen gegenüber

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Luftfahrt­un­ter­nehmen sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit angesichts der besonderen Bedingungen, unter denen der Luftverkehr durchgeführt wird, und des Maßes an technologischer Komplexität der Flugzeuge gewöhnlich verschiedenen technischen Problemen gegenübersehen, die der Betrieb solcher Maschinen unausweichlich mit sich bringt. Die Behebung eines technischen Problems, das auf die fehlerhafte Wartung einer Maschine zurückzuführen ist, ist daher Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrt­un­ter­nehmens. Folglich stellen technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, als solche keine „außer­ge­wöhn­lichen Umstände“ dar.

"Außer­ge­wöhnliche Umstände"

Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass technische Probleme zu „außer­ge­wöhn­lichen Umständen“ zu rechnen sind, soweit sie auf Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrt­un­ter­nehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. So verhielte es sich z. B. dann, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flotte des betroffenen Luftfahrt­un­ter­nehmens besteht, oder eine zuständige Behörde entdeckte, dass diese bereits in Betrieb genommenen Maschinen mit einem versteckten Fabri­ka­ti­o­ns­fehler behaftet sind, der die Flugsicherheit beeinträchtigt. Gleiches würde bei durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen verursachten Schäden an den Flugzeugen gelten.

EuGH: Flugge­sell­schaft muss Nachweis führen und sich entlasten

Der Gerichtshof stellt fest, dass es, da nicht alle außer­ge­wöhn­lichen Umstände zu einer Befreiung führen, demjenigen obliegt, der sich darauf berufen möchte, den Nachweis zu führen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer die außer­ge­wöhn­lichen Umstände zu vermeiden, mit denen er konfrontiert war und die zur Annullierung des Fluges geführt haben. Der Umstand, dass ein Luftfahrt­un­ter­nehmen die gesetzlich vorge­schriebenen Mindes­ter­for­dernisse an Wartungs­a­r­beiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht für sich genommen nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, und somit für seine Befreiung von der Verpflichtung zur Ausgleichs­zahlung aus.

Hinweis auf die Verordnung

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).

Quelle: ra-online, EuGH

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