18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 18214

Drucken
Urteil14.05.2014BundesgerichtshofVIII ZR 114/13 und VIII ZR 116/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2014, 885Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 885
  • NJW 2014, 2708Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2708
  • NJW 2014, 2715Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2715
  • NZM 2014, 876Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2014, Seite: 876
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen zu VIII ZR 114/13:
  • Landgericht Oldenburg, Urteil13.12.2012, 9 O 1953/12
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss16.04.2013, 5 U 12/13
Vorinstanzen zu VIII ZR 116/13:
  • Landgericht Berlin, Urteil25.03.2011, 22 O 367/09
  • Kammergericht Berlin, Urteil18.03.2013, 20 U 112/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.05.2014

Preis­anpassungs­klausel zur Ölpreisbindung in Gas­lieferungs­vertrag hält Inhalts­kon­trolle im unter­neh­me­rischen Geschäfts­verkehr standBGH zur Inhalts­kon­trolle einer im unter­neh­me­rischen Geschäfts­verkehr verwendeten Preis­anpassungs­klausel in einem Gas­lieferungs­vertrag

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine in den Allgemeinen Geschäfts­bedingungen eines Gas­lieferungs­vertrags enthaltene Preis­anpassungs­klausel, nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der Preis­ent­wicklung für Heizöl ändert, bei ihrer Verwendung im unter­neh­me­rischen Geschäfts­verkehr der Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB standhält.

Den beiden Verfahren lagen Gaslie­fe­rungs­verträge zugrunde, bei denen die Abnehmer jeweils selbst Unternehmer sind. Diese vertreten die Auffassung, dass die Preisklauseln, soweit sie nicht nur dazu dienten, den Anfangspreis zu bestimmen, als Preis­ne­be­n­a­breden der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* unterlägen und dieser nicht standhielten, wie der Bundes­ge­richtshof für ähnliche, gegenüber Verbrauchern verwendete Klauseln bereits entschieden habe (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 24.03.2010 - VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 -).

Sachverhalt im Verfahren VIII ZR 114/13

Die Klägerin, eine Porzellanfabrik, bezog von der Beklagten ab Mitte August 2005 Erdgas. Vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 erfolgte die Belieferung aufgrund des Gaslie­fe­rungs­ver­trages vom 20./21. Dezember 2007. Gemäß § 4 Ziffer 1 des Vertrages richtete sich das zu zahlende Entgelt für die Gaslieferung nach der als Anlage beigefügten Preisregelung. Hiernach handelt es sich bei dem Arbeitspreis um einen veränderlichen Preisanteil, der sich quartalsweise in Abhängigkeit von dem im Vertrag näher definierten Preis für leichtes Heizöl ändert.

Unternehmen verlangt Rückzahlung angeblich überzahlter Rechnungs­beträge

In der Folgezeit teilte die Beklagte der Klägerin jeweils zum Quartalsbeginn Preisänderungen mit. Die Klägerin glich die Abrechnungen zunächst aus. Sie beanstandete die Preiserhöhungen erstmals mit Schreiben vom 19. November 2008 und begehrt Rückzahlung der ihrer Auffassung nach überzahlten Rechnungs­beträge für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von 110.285,13 Euro.

LG und OLG erklären Preisregelung für wirksam

Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Preisregelung sei wirksam. Nach deren ausdrücklichem Wortlaut handele es sich bei dem Arbeitspreis um einen veränderlichen Preis. Eine solche Preis­haupt­abrede unterliege nicht der AGB-rechtlichen Inhalts­kon­trolle.

Sachverhalt im Verfahren VIII ZR 116/13

Die Klägerin versorgt die Beklagte, eine Wohnungs­bau­ge­n­os­sen­schaft, aufgrund des am 17. Januar/3. Februar 2003 geschlossenen Liefervertrags mit Erdgas. § 1 Satz 3 dieses Vertrages verweist hinsichtlich der Erdgaspreise auf eine Anlage, der zufolge der als variabel bezeichnete, sich quartalsweise ändernde Arbeitspreis sich nach der Entwicklung des im Vertrag näher definierten Preises für Heizöl richtet.

Unternehmen hält zugrunde gelegte Preiserhöhungen für unwirksam

Die Klägerin verlangt Zahlung von insgesamt 11.746,85 Euro für ihre Gaslieferungen im Jahr 2009 und für nicht gezahlte Abschläge bis Oktober 2010 sowie Sperrung des Gaszählers. Die Beklagte hält die von der Klägerin zugrunde gelegten Preiserhöhungen für unwirksam und begehrt nach Maßgabe des anfänglich geltenden Arbeitspreises im Wege der Widerklage Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 ihrer Auffassung nach überzahlten Gasentgelte in Höhe von 13.138,83 Euro.

OLG: Preisklauseln stellen kontrollfreie Preis­haupt­abrede dar

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Preisklauseln stellten eine kontrollfreie Preis­haupt­abrede dar. Es sei eine variable Vergütung vereinbart worden, die den bei Vertragsschluss geltenden Preis überhaupt erst bestimme. Eine solche Preis­haupt­abrede unterliege nicht der AGB-rechtlichen Inhalts­kon­trolle.

BGH: In AGBs des Gaslie­fe­rungs­vertrags enthaltene Preisregelung stellt eine der Inhalts­kon­trolle unterworfene Preis­ne­be­n­abrede dar

Beide vom Bundes­ge­richtshof zugelassenen Revisionen hatten keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass eine in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen eines Gaslie­fe­rungs­vertrags enthaltene Preisregelung, die sowohl der Berechnung des bei Vertragsbeginn geltenden Arbeitspreises als auch der Berechnung späterer Preisänderungen dient, entgegen der Auffassung der Berufungs­ge­richte eine der Inhalts­kon­trolle unterworfene Preis­ne­be­n­abrede darstellt, soweit sie künftige, noch ungewisse Preis­an­pas­sungen regelt. Eine solche Klausel, nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der Preis­ent­wicklung für Heizöl ändert, hält aber bei ihrer Verwendung im unter­neh­me­rischen Geschäfts­verkehr der Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB stand.

BGH verweist bei Bindung des Gaspreises an den Marktpreis für Heizöl auf kaufmännische Beurteilung des als Unternehmer handelnden Gaskunden

Ob die Bindung des Gaspreises an den Marktpreis für Heizöl sachgerecht und akzeptabel erscheint, unterliegt der kaufmännischen Beurteilung und Entscheidung des als Unternehmer handelnden Gaskunden, von dem zu erwarten ist, dass er seine Kosten - auch auf dem Energiesektor - sorgfältig kalkuliert, den Mechanismus einer ölprei­s­in­de­xierten Preis­gleit­klausel kennt und die damit hinsichtlich seiner Energiekosten verbundenen Chancen und Risiken überblickt. Dass die Entwicklung der Ölpreise - wie anderer Rohstoffkosten auch - mit Ungewissheiten verbunden ist, gehört zu den für eine unter­neh­me­rische Tätigkeit typischen Risiken, die der Unternehmer selbst zu beurteilen und zu tragen hat. Für einen Unternehmer ist auch ersichtlich, dass mit der Anknüpfung an den Marktpreis von Heizöl als einzige Variable kein Bezug auf künftige Kosten­stei­ge­rungen oder Kostensenkungen beim Gaslieferanten genommen wird. Solche sind deshalb für die Entwicklung des in Zukunft zu zahlenden Arbeitspreises für Erdgas bei Verwendung einer ölprei­s­in­de­xierten Preis­gleit­klausel im unter­neh­me­rischen Geschäfts­verkehr ohne Bedeutung.

* § 307 BGB Inhalts­kon­trolle

Erläuterungen
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. [...]

(3) Die Absätze 1 und 2 [...] gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil18214

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI