21.11.2024
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Dokument-Nr. 9407

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Urteil24.03.2010BundesgerichtshofVIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08
Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil24.10.2007, 26 O 91/06
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil06.06.2008, 6 U 203/07
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil03.08.2007, 3/12 O 32/07
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil04.11.2008, 11 U 60/07 (Kart)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil24.03.2010

BGH kippt Ölpreisbindung für Gas: "HEL"-Preis­an­pas­sungs­klauseln in Erdgas-Sonder­kun­den­ver­trägen unwirksamUnangemessene Benachteiligung des Kunden keine Grundlage für Preisanpassung

Preis­an­pas­sungs­klauseln in Erdgas-Sonder­kun­den­ver­trägen, die den Arbeitspreis für Erdgas allein an die Entwicklung des Preises für extra leichtes Heizöl ("HEL") binden, benachteiligen die Kunden unangemessen benachteiligen und können deshalb nicht Grundlage einer Preisanpassung sein.

Im ersten Fall verlangte ein Verbrau­cher­schutz­verband von einem im Rheinland ansässigen Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen unter anderem, die Verwendung der folgenden Preis­an­pas­sungs­be­stim­mungen für den Arbeitspreis (AP) in zwei näher bezeichneten Sonder­ver­trags­mustern zu unterlassen:

"AP = 2,43 + (,092 * (HEL - 19,92)) + ,2024 in ct/kWh"

und

"für die ersten 4.972 kWh/Jahr AP = 3,21 + ,092 * (HEL - 25,39) + ,2024 in ct/kWh

von 4.973 bis 99.447 kWh/Jahr AP = 2,88 + ,092 * (HEL - 25,39) + ,2024 In ct/kWh

alle weiteren kWh/Jahr AP = 2,83 + ,092 * (HEL - 25,39) + ,2024 in ct/kWh".

Mit HEL ist defini­ti­o­nsgemäß der Preis für extra leichtes Heizöl (ohne Umsatzsteuer) in €/hl bezeichnet, wie er den monatlichen Veröf­fent­li­chungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden bei einer Tankkraftwagen-Lieferung von 40-50 hl frei Verbraucher in Düsseldorf zu entnehmen ist. In den Verträgen heißt es weiter:

"Der Erdgaspreis wird jeweils mit Wirkung zum 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres angepasst. Dabei werden jeweils zugrunde gelegt:

- für die Bildung des Arbeitspreises zum 1. April das arithmetische Mittel der Preise für extra leichtes Heizöl der Monate Juli bis Dezember des vorhergehenden Kalenderjahres

- und für die Bildung des Arbeitspreises zum 1. Oktober das arithmetische Mittel der Preise für extra leichtes Heizöl der Monate Januar bis Juni des laufenden Kalenderjahres."

Klage des Verbrau­cher­schutz­ver­bandes erfolgreich

Das Landgericht Köln hat der Unter­las­sungsklage insoweit stattgegeben, das Oberlan­des­gericht Köln hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des klagenden Verbrau­cher­schutz­ver­bandes hatte Erfolg.

Im zweiten Fall sind die Kläger Kunden eines kommunalen Versor­gungs­un­ter­nehmens im Rhein-Main-Gebiet, von dem sie im Rahmen von Sonderverträgen leitungs­ge­bunden Gas beziehen. Hierbei gelten die von dem Versor­gungs­un­ter­nehmen vorformulierten "Bedingungen des Sondervertrages für Gaslieferungen", in deren Ziffer III es heißt:

"c) Als Heizölpreis im Sinne von Ziffer 2 des Vertrages gilt das aus 8 Monatswerten gebildete arithmetische Mittel der vom Statistischen Bundesamt erhobenen und veröf­fent­lichten monatlichen Preisnotierung für extra leichtes Heizöl in € je 100 Liter frei Verbraucher in Frankfurt bei Tankkraftwagen-Lieferungen von 40 bis 50 hl pro Auftrag einschließlich Verbrauchs­steuer. Der Arbeitspreis (AP) errechnet sich deshalb nach folgender Formel:

AP (Cent je kWh) = ,092 HEL

d) Änderungen der Gaspreise aufgrund der Bindung an das Heizöl (HEL) treten jeweils zum 1.4. und 1.10. eines jeden Jahres ein. …"

Die Kläger haben unter anderem beantragt, die Unwirksamkeit dieser Klauseln festzustellen. Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat festgestellt, dass die Klausel den 36 Berufungs­klägern gegenüber unwirksam sei. Die dagegen gerichtete Revision des beklagten Versor­gungs­un­ter­nehmens hatte keinen Erfolg.

Preis­an­pas­sungs­klausel benachteiligt unangemessen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Preis­be­rech­nungs­klauseln die Kunden der Versor­gungs­un­ter­nehmen unangemessen benachteiligen und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind. Ein schutzwürdiges Interesse der Versor­gungs­un­ter­nehmen an der Verwendung der Klauseln liegt nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn es sich hierbei um – nach dem Preis­klau­sel­gesetz wirksame - Spannungs­klauseln handeln sollte, die die Erhaltung einer bestimmten Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung bezwecken. Für solche Klauseln mag in langfristigen Vertrags­ver­hält­nissen ein berechtigtes Interesse bestehen, wenn sie bestimmt und geeignet sind zu gewährleisten, dass der geschuldete Preis mit dem jeweiligen Marktpreis für die zu erbringende Leistung übereinstimmt. Für die Lieferung von leitungs­ge­bundenem Gas an Endverbraucher existiert jedoch mangels eines wirksamen Wettbewerbs nach wie vor kein Marktpreis. Dass sich der Gaspreis vielfach parallel zum Preis für leichtes Heizöl entwickelt, beruht nicht auf Markteinflüssen, sondern darauf, dass die Ölpreisbindung der Gaspreise einer gefestigten Praxis entspricht.

Preis­an­pas­sungs­klauseln beinhaltet die Möglichkeit einer unzulässigen Gewinn­stei­gerung

Auch das somit allein verbleibende anerken­nenswerte Interesse der Gaslieferanten, Kosten­stei­ge­rungen an ihre Kunden weiterzugeben, führt nicht zur Wirksamkeit der Klauseln. Zwar hat der Bundes­ge­richtshof grundsätzlich ein berechtigtes Interesse von Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen anerkannt, Kosten­stei­ge­rungen während der Vertrags­laufzeit an ihre Normson­der­kunden weiterzugeben (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 15.07.2009 - VIII ZR 56/08 -). Eine unangemessene Benachteiligung der Kunden liegt aber dann vor, wenn Preis­an­pas­sungs­be­stim­mungen dem Verwender die Möglichkeit einräumen, über die Abwälzung konkreter Kosten­stei­ge­rungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Bei den beanstandeten Preis­an­pas­sungs­klauseln ergibt sich die Möglichkeit einer unzulässigen Gewinn­stei­gerung (schon) daraus, dass sie als einzige Variable für die Anpassung des Arbeitspreises den Preis für extra leichtes Heizöl (HEL) vorsehen und damit eine Erhöhung der Gaspreise - auch unter Berück­sich­tigung der in den Vertragsmustern weiter enthaltenen Bestimmungen über die Änderung des Grundpreises - selbst dann erlauben, wenn steigende Bezugspreise durch Kostensenkungen in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, aufgefangen werden.

Quelle: ra-online, BGH

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