18.10.2024
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Arbeitsgericht Lübeck Urteil09.10.2009

Bagatell­kün­digung: Kündigung einer Reinigungskraft wegen Mitnahme weggeworfener PfandflaschenBetrieb entlässt schwer­be­hinderte Putzfrau wegen Mülldiebstahls

Eine schwer­be­hinderte Reinigungskraft, die in einem Betrieb seit 20 Jahren beschäftigt ist, kann nicht wegen Mitnahme von weggeworfenen Pfandflaschen gekündigt werden. Dies hat das Arbeitsgericht Lübeck entschieden. Die Arbeitnehmerin hätte zuvor abgemahnt werden müssen.

Im zugrunde liegenden Fall wurde einer Reinigungskraft gekündigt, weil sie weggeworfene Pfandflaschen aus Abfalleimern mitgenommen hatte. Die Frau ist schwerbehindert und arbeitete zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als 20 Jahren als Reinigungskraft für ihren Arbeitgeber. In ihrem Arbeitsvertrag ist geregelt, dass eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestattet ist. Das gilt ausdrücklich auch für geringwertige Gegenstände. In der Anlage zum Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

24. Eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt ist nicht gestattet. Dies gilt auch für geringwertige Gegenstände, wie z.B. Abfall oder Blumenableger.

...

28. Verstöße gegen die vorgenannten Auflagen berechtigen den Arbeitgeber zur Abmahnung des vertrags­widrigen Verhaltens, im Wieder­ho­lungsfall oder bei schwerwiegenden Verstößen zur fristlosen Kündigung des Arbeits­ver­trages.

Pfandflaschen mitgenommen

Die Arbeitnehmerin war in einem Baumarkt in Ahrensburg eingesetzt. Dort soll sie Pfandflaschen von Mitarbeitern des Baumarkts und auch von denen des dort im Rahmen eines Umbaus tätigen Fremd­un­ter­nehmens an sich genommen und in einem Plastiksack mit ihrem Pkw nach Hause mitgenommen haben. Insgesamt hätten bei einer Bestandaufnahme ca. 340 Flaschen gefehlt. Nachdem sie durch den Leiter des Baumarktes zur Rede gestellt worden war, gab sie zu, Pfandflaschen aus Mülleimern, den Müllcontainern im Außenbereich und unter den Regalen hervor gefegte Flaschen mitgenommen zu haben. Der Arbeitgeber sah hierin Verstöße gegen den Arbeitsvertrag und sprach die fristgemäße Kündigung aus.

Arbeitsgericht erklärt Kündigung für unwirksam

Diese Kündigung hatte vor dem Arbeitsgericht Lübeck keinen Bestand. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, da sie nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aus verhal­tens­be­dingten Gründen gerechtfertigt sei.

Kündigung laut Arbeitsvertrag nur im Wieder­ho­lungsfall möglich

Die Verstöße seien nicht geeignet, die Kündigung zu begründen. Dies folge aus Ziff. 28 des Arbeits­ver­trages. Danach berechtigen Verstöße u.a. i.S. der Ziff. 24 grundsätzlich nur zur Abmahnung, lediglich im Wieder­ho­lungsfall und, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handele, zur Kündigung. Die Arbeitnehmerin habe aber die Pfandflaschen nicht im Wieder­ho­lungsfall und nach einschlägiger Abmahnung mitgenommen.

Keine schwerwiegenden Verstöße gegen den Arbeitsvertrag

Tatsächlich müsse sich die Arbeitnehmerin auch keine schwerwiegenden Verstöße gegen das Verbot aus Ziff. 24 vorwerfen lassen, aus dem zu reinigenden Objekt keine Gegenstände mitzunehmen. Das folge aus dem Zusammenspiel von Ziff. 28 und 24 des Arbeits­ver­trages. Wenn nämlich unter Ziff. 24 geregelt sei, dass die Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestatt sei, und wenn Ziff. 28 bei Verstößen gegen diese Verpflichtung die Abmahnung als adäquates Mittel der Beklagten vorsehe, könne alleine der Verstoß gegen das Verbot der Mitnahme von Gegenständen aus dem Reini­gungs­objekt eine Kündigung nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Vielmehr müssten dann Umstände hinzutreten, die diese Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt als im Verhältnis zum Grundtatbestand "schwerwiegend" erscheinen lassen. Derartige Umstände seien nicht bekannt.

Flaschen hatten nur einen geringen Wert

Im übrigen erscheine die Mitnahme von mehreren Pfandflaschen schon wegen des geringen Wertes als nicht geeignet, die Voraussetzungen eines "schwerwiegenden Verstoßes" i.S. der Ziff. 28 des Arbeits­ver­trages anzunehmen.

Andere hatten augenscheinlich kein Interesse mehr an den Flaschen

Die von der Arbeitnehmerin mitgenommen Flaschen, die offen herumstanden, seien auch nicht besonders gesichert gewesen. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass jemand anderes noch Interesse an diesen Flaschen hatte, führte das Gericht aus.

Berufung zum LAG eingelegt

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Lübeck legte der Arbeitgeber Berufung beim Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein ein. Dieses hatte vorgesehen, am 24. Februar 2010 über den Fall zu verhandeln.

Parteien haben sich geeinigt

Wie die Redaktion von ra-online/kostenlose-urteile.de aus gut unterrichteter Quelle am 19.02.2009 erfuhr, haben sich die Parteien zwischen­zeitlich geeinigt, so dass die Verhandlung nicht mehr stattfinden wird. Der Inhalt der Einigung ist bisher nicht bekannt.

Bagatellkündigungen

Die Arbeitsgerichte hatten in jüngster Zeit eine ganze Reihe von Fällen zu entscheiden, die oft unter dem Begriff "Bagatell­kün­digung" zusammengefasst werden. Deutschlandweit für Aufsehen sorgte die Kündigung einer Kassiererin, die Pfandbons eingelöst hatte (ArbG Berlin, Urteil v. 21.08.2008 - 2 Ca 3632/08 -).

Quelle: ra-online, Arbeitsgericht Lübeck (pt)

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