Im zugrunde liegenden Fall wurde einer Reinigungskraft gekündigt, weil sie weggeworfene Pfandflaschen aus Abfalleimern mitgenommen hatte. Die Frau ist schwerbehindert und arbeitete zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als 20 Jahren als Reinigungskraft für ihren Arbeitgeber. In ihrem Arbeitsvertrag ist geregelt, dass eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestattet ist. Das gilt ausdrücklich auch für geringwertige Gegenstände. In der Anlage zum Arbeitsvertrag heißt es u.a.:
24. Eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt ist nicht gestattet. Dies gilt auch für geringwertige Gegenstände, wie z.B. Abfall oder Blumenableger.
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28. Verstöße gegen die vorgenannten Auflagen berechtigen den Arbeitgeber zur Abmahnung des vertragswidrigen Verhaltens, im Wiederholungsfall oder bei schwerwiegenden Verstößen zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages.
Die Arbeitnehmerin war in einem Baumarkt in Ahrensburg eingesetzt. Dort soll sie Pfandflaschen von Mitarbeitern des Baumarkts und auch von denen des dort im Rahmen eines Umbaus tätigen Fremdunternehmens an sich genommen und in einem Plastiksack mit ihrem Pkw nach Hause mitgenommen haben. Insgesamt hätten bei einer Bestandaufnahme ca. 340 Flaschen gefehlt. Nachdem sie durch den Leiter des Baumarktes zur Rede gestellt worden war, gab sie zu, Pfandflaschen aus Mülleimern, den Müllcontainern im Außenbereich und unter den Regalen hervor gefegte Flaschen mitgenommen zu haben. Der Arbeitgeber sah hierin Verstöße gegen den Arbeitsvertrag und sprach die fristgemäße Kündigung aus.
Diese Kündigung hatte vor dem Arbeitsgericht Lübeck keinen Bestand. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, da sie nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sei.
Die Verstöße seien nicht geeignet, die Kündigung zu begründen. Dies folge aus Ziff. 28 des Arbeitsvertrages. Danach berechtigen Verstöße u.a. i.S. der Ziff. 24 grundsätzlich nur zur Abmahnung, lediglich im Wiederholungsfall und, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handele, zur Kündigung. Die Arbeitnehmerin habe aber die Pfandflaschen nicht im Wiederholungsfall und nach einschlägiger Abmahnung mitgenommen.
Tatsächlich müsse sich die Arbeitnehmerin auch keine schwerwiegenden Verstöße gegen das Verbot aus Ziff. 24 vorwerfen lassen, aus dem zu reinigenden Objekt keine Gegenstände mitzunehmen. Das folge aus dem Zusammenspiel von Ziff. 28 und 24 des Arbeitsvertrages. Wenn nämlich unter Ziff. 24 geregelt sei, dass die Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestatt sei, und wenn Ziff. 28 bei Verstößen gegen diese Verpflichtung die Abmahnung als adäquates Mittel der Beklagten vorsehe, könne alleine der Verstoß gegen das Verbot der Mitnahme von Gegenständen aus dem Reinigungsobjekt eine Kündigung nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Vielmehr müssten dann Umstände hinzutreten, die diese Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt als im Verhältnis zum Grundtatbestand "schwerwiegend" erscheinen lassen. Derartige Umstände seien nicht bekannt.
Im übrigen erscheine die Mitnahme von mehreren Pfandflaschen schon wegen des geringen Wertes als nicht geeignet, die Voraussetzungen eines "schwerwiegenden Verstoßes" i.S. der Ziff. 28 des Arbeitsvertrages anzunehmen.
Die von der Arbeitnehmerin mitgenommen Flaschen, die offen herumstanden, seien auch nicht besonders gesichert gewesen. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass jemand anderes noch Interesse an diesen Flaschen hatte, führte das Gericht aus.
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Lübeck legte der Arbeitgeber Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein. Dieses hatte vorgesehen, am 24. Februar 2010 über den Fall zu verhandeln.
Wie die Redaktion von ra-online/kostenlose-urteile.de aus gut unterrichteter Quelle am 19.02.2009 erfuhr, haben sich die Parteien zwischenzeitlich geeinigt, so dass die Verhandlung nicht mehr stattfinden wird. Der Inhalt der Einigung ist bisher nicht bekannt.
Die Arbeitsgerichte hatten in jüngster Zeit eine ganze Reihe von Fällen zu entscheiden, die oft unter dem Begriff "Bagatellkündigung" zusammengefasst werden. Deutschlandweit für Aufsehen sorgte die Kündigung einer Kassiererin, die Pfandbons eingelöst hatte (ArbG Berlin, Urteil v. 21.08.2008 - 2 Ca 3632/08 -).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.02.2010
Quelle: ra-online, Arbeitsgericht Lübeck (pt)