21.11.2024
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Amtsgericht Rathenow Urteil06.09.2013

AG Rathenow: Rauchen auf dem Balkon erlaubt / Nachbar muss Rauch von 12 Zigaretten pro Tag hinnehmen12 Zigaretten stellen keine übermäßige Rauch­be­läs­tigung dar

Mieter dürfen auf dem Balkon rauchen. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Rathenow hervor.

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Rentner-Paar gegen ihre Nachbarn. Diese rauchten regelmäßig auf ihrem Balkon. Der Rauch zog zu den Klägern herüber. Hierdurch fühlten sich die Kläger gestört. Sie könnten nicht mal in Ruhe Kaffee trinken, trugen sie vor Gericht vor.

Rauchprotokoll

Die Kläger hatten über die rauchenden Nachbarn ein Rauchprotokoll angefertigt und verlangten vor Gericht, dass dieses ein Rauchverbot für die Zeiten zwischen 7 und 8 Uhr, zehn und elf Uhr, 13 und 15 Uhr, zwischen 17 und 19 Uhr sowie zwischen 20 und 23 Uhr verhänge. Die Kläger behaupteten, dass die Beklagen 20 Zigaretten und mehr am Tag rauchten.

Die beklagten Mieter trugen dagegen vor Gericht vor, dass sie abwechselnd lediglich bis zu zwölf Zigaretten am Tag auf dem Balkon rauchen würden. Sie würden schon grundsätzlich nicht zusammen rauchen, weil sie keinen übermäßigen Zigarettenrauch produzieren und Rücksicht auf die über ihnen wohnenden Kläger nehmen wollten.

Amtsgericht Rathenow weist die Klage auf Rauchverbot ab

Das Amtsgericht Rathenow wies die Klage ab. Es stellte zunächst fest, dass die Kläger durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Zigarettenrauch und der damit einhergehenden Gesund­heits­ge­fährdung und Geruchs­be­läs­tigung in ihrem ungestörten Besitz ihres Balkons beeinträchtigt seien. Auch der Besitz der Kläger an den Wohnräumen sei beeinträchtigt, weil der Zigarettenqualm über die geöffnete Balkontür in das Wohnzimmer der Kläger eindringe.

Die Beein­träch­tigung müssten die Kläger in einem Mietshaus auch nicht per se hinnehmen. Aber nicht jede Beein­träch­tigung führe auch zu einem Unter­las­sungs­an­spruch gegen denjenigen, vom dem die Störung ausgeht. Das Recht auf ungestörten Gebrauch der Mietsache werde durch den Grundsatz, dass im Verhältnis von Mitmietern untereinander in einem Mehrfa­mi­li­enhaus nicht wesentliche Beein­träch­ti­gungen hinzunehmen sind, eingeschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 14.04.1954 - VI ZR 35/53).

Amtsgericht geht von einem Konsum von 12 Zigaretten pro Tag aus

Bei der Prüfung der Wesentlichkeit ging das Amtsgericht Rathenow von einem täglichen Zigaret­ten­konsum von ca. zwölf Zigaretten der Beklagten aus. Es verwies in seinen Ausführungen auf Urteile des Landgerichts Hamburg und des Landgerichts Berlin.

Das Landgericht Hamburg (Urteil v. 15.06.2012 - 311 S 92/10 -) hatte eine Minderung der Gebrauch­s­taug­lichkeit der Wohnung bei einem Zigaret­ten­konsum von über 20 pro Tag angenommen. In dem Fall, den das Landgericht Berlin (Urteil v. 30.04.2013 - 67 S 307/12 -) zu entscheiden hatte, hatte sich ein Mieter mehrmals täglich eine Zigarette auf dem Balkon angezündet. Das Landgericht Berlin ging in seiner Entscheidung von einem Konsum von mehr als 20 Zigaretten pro Tag zu aus. Unter dieser Maßgabe sah das Landgericht Berlin auch eine Minderung der Gebrauch­s­taug­lichkeit der Wohnung als gegeben an.

Amtsgericht: Keine wesentliche Beein­träch­tigung der Kläger durch den Rauch

Das Rauchen von zwölf Zigaretten am Tag erreiche diese Werte aber nicht und sei bei einer darüber hinaus gehenden Betrach­tungsweise nicht geeignet, eine wesentliche Beein­träch­tigung der berechtigten Interessen und Rechte der Kläger zu begründen, führte das Amtsgericht Rathenow aus. Bei einer lebensnahen Auslegung sei es auch fernliegend, dass sich die Kläger und Beklagten jeweils zeitgleich in ihren Wohnungen und auf dem Balkon aufhalten, so dass sich hierdurch die Beein­träch­tigung qualitativ verringert. Im Übrigen sei die Intensität der Beein­träch­tigung nicht immer gleich und hänge auch von der Witterung und der Windrichtung ab.

Insgesamt müssten die Kläger das Rauchen der Beklagten, das als freie Willen­s­ent­scheidung sich als Ausübung ihres grundgesetzlich geschützten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstelle (Art. 2 Abs. 1 GG), und sich im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung ihrer Wohnung halte, als unwesentliche Beein­träch­tigung hinnehmen und dulden.

Quelle: ra-online, AG Rathenow (vt/pt)

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