23.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 20479

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Urteil16.01.2015BundesgerichtshofV ZR 110/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 719Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 719
  • jM 2015, 281 (Ulrich Nastold)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 281, Entscheidungsbesprechung von Ulrich Nastold
  • MDR 2015, 638Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 638
  • NJW 2015, 2023Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 2023
  • NZM 2015, 448Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2015, Seite: 448
  • WuM 2015, 368Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2015, Seite: 368
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.01.2015

Rauchen auf dem Balkon kann auf bestimmte Zeiten beschränkt werdenGänzlicher Abwehranspruch bei nur unwesentlichen Geruchs­belästigungen kommt nur bei drohenden Gefahren für die Gesundheit in Betracht

Fühlt sich ein Mieter durch den von einem tiefer gelegenen Balkon aufsteigenden Zigarettenrauch im Gebrauch seiner Wohnung beeinträchtigt und befürchtet der Mieter Gefahren für seine Gesundheit, dann kann er von dem Mieter des tiefer gelegenen Balkons grundsätzlich verlangen, das Rauchen während bestimmter Zeiten zu unterlassen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfa­mi­li­enhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigaret­ten­konsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den von dem Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen deshalb von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Vorinstanzen sind der Meinung, dass ein Rauchverbot mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar sei; diese schließe die Entscheidung ein, unabhängig von zeitlichen und mengenmäßigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon zu rauchen.

Vertragliche Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter rechtfertigen nicht Störungen Dritter

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dabei hat er sich von folgenden Erwägungen leiten lassen: Einem Mieter steht gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sogenannte Immissionen stört (zu diesen gehören Lärm, Gerüche, Ruß und eben auch Tabakrauch), grundsätzlich ein Unter­las­sungs­an­spruch zu. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander. Der Abwehranspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im Verhältnis zu seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter.

Abwehranspruch bei nur unwesentlichen Beein­träch­ti­gungen ausgeschlossen

Der Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beein­träch­ti­gungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört fühlenden Mieters nach dem Empfinden eines verständigen durch­schnitt­lichen Menschen nicht als wesentliche Beein­träch­tigung empfunden werden.

Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beein­träch­ti­gungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen

Liegt hingegen nach diesem Maßstab eine als störend empfundene – also wesentliche – Beein­träch­tigung vor, besteht der Unter­las­sungs­an­spruch allerdings nicht uneingeschränkt. Es kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebens­be­dürfnisse - zu denen auch das Rauchen gehört - zu nutzen. Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beein­träch­ti­gungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeein­trächtigt von Rauch­be­läs­ti­gungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Mit dem Rauchen auf dem Balkon gehen voraussichtlich keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einher

Sollte die Geruchs­be­läs­tigung nur unwesentlich sein, kommt ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen. Immissionen, die die Gefahr gesund­heit­licher Schäden begründen, sind grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beein­träch­tigung anzusehen. Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht wird. Insoweit kommt den Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzen des Bundes und der Länder, die das Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen. Nur wenn es dem Mieter gelingt, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweist, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesund­heits­be­ein­träch­tigung besteht, wird eine wesentliche Beein­träch­tigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchs­re­gelung getroffen werden müssen.

Landgericht muss mögliche gesundheitliche Gefahren durch Tabakrauch im konkreten Fall prüfen

Die Sache war an das Landgericht zurückzuweisen, weil es bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend wahrnehmbar ist oder - wenn das zu verneinen sein sollte - ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie die Kläger unter Hinweis auf eine Feinsta­ub­messung behaupten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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