18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil30.05.2022

Streit um Scheinzypresse an der Grund­s­tücks­grenzeScheinzypresse muss beseitigt werden, ohne jedoch den Wurzelstock zu entfernen

In einem Nachbarschafts­streit verurteilte das Amtsgericht München am 30.05.2022 den Beklagten zur Beseitigung der auf seinem Grundstück an der Grund­s­tücks­grenze zum Kläger­grundstück neben dem dort befindlichen Garagengebäude stehenden Scheinzypresse (ohne Entfernung des Wurzelstocks).

Grund des Rechtsstreits zwischen den Grund­s­tücks­nachbarn in München Trudering war eine auf dem Beklag­ten­grundstück mit einem Abstand von weniger als einem halben Meter von der Grundstücksgrenze der Kläger befindliche zweistämmige Scheinzypresse mit einer Höhe von etwa 9 m und einem Stammumfang von 115 und 110 cm. Die Kläger trugen vor, dass sich das Wurzelwerk der Scheinzypresse mit zunehmendem Wachstum auch unterhalb ihrer Garage derart ausgebreitet habe, dass durch die Wurzeln das Fundament des Gebäudes angehoben würde. Dadurch könne die Tür der Garage kaum mehr geöffnet werden, und in der Seitenwand des Gebäudes seien Risse entstanden. Bei weiterem Wachstum der Scheinzypresse und entsprechender Ausdehnung des Wurzelwerks drohten weitere massive Beschädigungen des Garagengebäudes. Diese Beein­träch­tigung ihres Eigentums könne nur durch Beseitigung der Scheinzypresse verhindert werden. Der Beklagte beantragte Klageabweisung und trug insbesondere vor, die Garage der Kläger verfüge über kein notwendiges und geeignetes Fundament, welches dem Wurzelwerk der ortsüblichen Bepflanzung Stand halte. Das Wurzelwerk des Baumes sei bereits Jahrzehnte alt und nicht erst in den letzten drei Jahren entstanden, so dass dem klägerischen Anspruch die Einrede der Verjährung entge­gen­ge­halten werde.

AG bejaht Substanz­ver­letzung an Garage

Das Amtsgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Der zuständige Richter stützte den Anspruch auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und führte in der Begründung aus: Eine Beein­träch­tigung des Eigentums der Klagepartei steht vorliegend fest aufgrund der nachvoll­ziehbaren Ausführungen des Sachver­ständigen, aus denen sich unzweifelhaft eine Substanz­ver­letzung an der im Eigentum der Klagepartei stehenden Garage ergibt. Laut Sachver­ständigem sind folgende Schäden an der Garage vorhanden: Die entlang der Grund­s­tücks­grenze verlaufende Außenwand zeigt innen und außen mehrere Risse. Die Risse reichen am Mauerkopf bis auf den Boden. Auf der Innenseite reicht ihr Verlauf ca. 140 cm weit diagonal schräg nach oben. Die Risse verlaufen vorne um den Mauerkopf über Eck. Es verlaufen mehrere Parallelrisse versetzt. Die Rissweiten reichen von ,4 mm am Mauerkopf bis ,5 mm im hinteren Wandbereich. Beim Garagentor klemmen die Torflügel, die Türflügel sitzen verkeilt in der Zarge und schlagen gegeneinander. Die Feststellflügel schleifen am Boden. Der Baumstamm mit einem Durchmesser von ca. 70 cm reicht an seinem Fußpunkt bis an den Grenzstein und an die Außenwand der Garage. Neben dem Versatz der Zarge sind Mauerwerk und Randstein durch den vom Baum ausgehenden Druck gerissen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die von ihm festgestellten Schäden am Mauerwerk auf den durch das Wachstum des angrenzenden Baumstamms aufgebauten Drucks zurückzuführen seien.

Anspruch auf Entfernung der Scheinzypresse

Zur Erfüllung der Unter­las­sungs­ver­pflichtung schuldet der Beklagte vorliegend die Entfernung der Scheinzypresse. Zwar trifft den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (nur) eine Unter­las­sungs­ver­pflichtung, die auch künftig drohende Beein­träch­tigung kann vorliegend jedoch nur durch aktives Eingreifen verhindert werden. Grundsätzlich steht es dem Beklagten frei, zwischen verschiedenen Abhil­fe­maß­nahmen zu wählen, andere Maßnahmen als die Entfernung der Scheinzypresse kommen vernünf­ti­gerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht. Wie der Sachverständige überzeugend darlegte, müsste der Stamm in Richtung des klägerischen Grundstücks an der Basis um mindestens 10 cm in der Breite angeschnitten und mitsamt der mit diesem Stammteil verbundenen Wurzelanläufe bis auf das Gründungsniveau der Garage ausgesägt werden, um eine weitere Druckausübung auf die Garage infolge des Dickenwachstums des Baumes zukünftig bzw. dauerhaft zu vermeiden. Durch einen derartigen Eingriff entstehe eine irreversible großflächige Verletzung im nährstoff- und wasserführenden Bast- und Holzteil des Hauptstammes. Selbst wenn der Baum den Eingriff überlebe, wäre die Standfestigkeit infolgedessen künftig nicht mehr sichergestellt. Mit dem Sachver­ständigen geht das Gericht davon aus, dass die unterhalb der Schwelle der Entfernung der Scheinzypresse liegenden Maßnahmen Auswirkungen auf die Stand- und Verkehrs­si­cherheit haben; sie sind daher als alternative mildere Mittel auszuschließen.

Anspruch nicht verjährt

Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verjährt. Selbst wenn man die Verjährbarkeit eines Unter­las­sungs­an­spruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht, wäre ein Verjäh­rungs­eintritt vorliegend nicht festzustellen. Entscheidend für den Beginn der Verjährung ist nicht etwa der Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Entstehung des Anspruchs und Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Gläubigers von den Anspruch begründeten Umständen. Nachdem ein sicherer Zeitpunkt des Auftretens der Schäden an der Garage im Jahr 2014 oder früher in einer Art und Weise, dass sie der Klagepartei nicht hätten verborgen bleiben können, nicht bestimmt werden konnte, konnte die Einrede der Verjährung nicht wirksam erhoben werden.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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