Dokument-Nr. 28486
Permalink https://urteile.news/
- Patientin hat nach Fixierung ohne richterliche Genehmigung Anspruch auf SchmerzensgeldOberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil16.07.2019, 8 U 59/18
- Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Fixierung von Patienten in der öffentlich-rechtlichen UnterbringungBundesverfassungsgericht, Urteil24.07.2018, 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16
- Fixierung eines in psychiatrischer Klinik untergebrachten Kindes nur bei Eins-zu-Eins Betreuung durch pflegerisches oder therapeutisches Personal genehmigungsfähigOberlandesgericht Hamburg, Beschluss17.11.2020, 12 UF 101/20
Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil28.12.2019
Fixierung eines Patienten bei fehlender Möglichkeit einer Klinik zur "Eins-zu-Eins-Betreuung" unzulässigWeder mangelndes Personal noch herausforderndes Verhalten rechtfertigen Unterlassen des ständigen Sicht- und Sprechkontaktes zum Schutze des Patienten
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein vorläufig in einer Klinik für Psychiatrie untergebrachter Patient nicht länger fixiert bleiben dürfe, wenn nicht durch ausreichend pflegerisches und/oder therapeutisches Personal zu gewährleisten sei, dass der Betroffene innerhalb der Fixierung rechtzeitige Hilfe bekomme, bzw. er hierbei in eine gefährliche Situation geraten könne.
Im zugrunde liegenden Fall wurde der maßgebliche Patient kurz nach Beginn seines stationären Aufenthalts auf Anordnung eines bestellten Arztes fixiert und die Fortdauer der Fixierung bis zur Entscheidung des Gerichts angeordnet.
Fixierung wegen nicht fachgerechter Handhabung unverhältnismäßig
Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte die Erforderlichkeit der weiteren Fixierung aber aus zweierlei Gründen ab: Zum einen sei sie von vorneherein unverhältnismäßig, da nicht fachgerecht gewesen. Es genüge nicht, dass ein bloßer Sichtkontakt zum Betroffenen durch eine ansonsten verschlossene Tür gewährleistet sei. Vielmehr bedürfe es einer tatsächlichen Möglichkeit des Patienten zu einer persönlichen Ansprache. Dabei verkannte das Gericht nicht die große Belastung des Pflegepersonals durch das Erfordernis einer solch engmaschigen Überwachung. Jedoch rechtfertige weder mangelndes Personal noch herausforderndes Verhalten ein Unterlassen des ständigen Sicht- und Sprechkontaktes zum Schutze des Betroffenen.
Vom Patienten ging kein ausreichend gegenwärtige Gefahr für Fixierung aus
Zum anderen sei die Fixierung auch deshalb unzulässig gewesen, weil im konkreten Fall keine ausreichend gegenwärtige Gefahr bestanden habe. Insbesondere könnten das Urinieren in das Patientenzimmer oder sexualisierende Äußerungen schon denklogisch keine Gefahr darstellen, welche durch die Fixierung abgewendet werden könnten. Diese Handlungen könnten - wie im konkreten Fall geschehen - auch in der Fixierung erfolgen. Mit der Möglichkeit, dass ein Patient bedrohlich oder tätlich werden könne, müsse eine Fachklinik grundsätzlich umgehen können, zunächst Deeskalationsmöglichkeiten ausschöpfen und nicht - wie vorliegend - gleich auf das extreme Mittel der Fixierung an mehreren Körperteilen zugreifen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.03.2020
Quelle: Amtsgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil28486
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.