21.11.2024
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Dokument-Nr. 31346

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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.01.2022

BVerfG weist AfD-Eilantrag gegen 2G-Plus-Regelung für Gedenkstunde im Bundestag abEilantrag mangels ausreichender Begründung unzulässig

Das Bundes­verfassungs­gericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Fraktion Alternative für Deutschland (AfD) im Deutschen Bundestag und zwei der ihr angehörenden Abgeordneten verworfen, der darauf zielt, Abgeordneten, die die „2G+-Regel“ nicht erfüllen, Zugang zu einer am 27. Januar 2022 stattfindenden Gedenkstunde im Deutschen Bundestag zu gewähren.

Angesichts der erhöhten Infek­ti­o­ns­ge­fahren durch die Omikron-Variante hat die Präsidentin des Deutschen Bundestags eine novellierte Allge­mein­ver­fügung zur Eindämmung der Corona-Pandemie in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages mit Wirkung ab dem 12. Januar 2022 erlassen. Die Allge­mein­ver­fügung sieht verschärfte Zugangsregeln für Abgeordnete vor. In den Bereichen des Bundestages, in denen bisher die „3G“-Regel galt (Plenum, Ausschüsse, Veranstaltungen), gilt nunmehr „2G+“. Dies betrifft räumlich insbesondere den Zutritt zum Plenarsaal. Dieser ist nunmehr auf Geimpfte und Genesene beschränkt, die zusätzlich einen tagesaktuellen Antigen-Schnelltest oder eine Auffri­schungs­impfung („Boosterung“) nachweisen müssen. Nicht geimpfte Abgeordnete können an Plenarsitzungen nur bei Nachweis eines negativen Tests auf gekenn­zeichneten Plätzen der Tribünen teilnehmen, nicht aber auf der unteren Ebene des Plenarsaals. Bei sonstigen Veranstaltungen des Deutschen Bundestages besteht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht.

Antragsteller rügte Verletzung ihrer Opposi­ti­o­ns­rechte

Mit Schreiben vom 19. Januar 2022 teilte die Präsidentin des Deutschen Bundestags mit, dass anlässlich der Gedenkstunde am 27. Januar 2022 zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Natio­nal­so­zi­a­lismus im Deutschen Bundestag die „2G+-Regel“ gemäß der geltenden Allge­mein­ver­fügung anwendbar und eine Teilnahme auf den Besucher­tribünen nicht möglich ist. Die Antragsteller rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sowie eine Verletzung des Rechts auf effektive Opposition aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG durch die Beschränkung der Möglichkeit zur Teilnahme an der Gedenkstunde aufgrund der Anwendung der „2G+-Regel“.

BVerfG: Schwere Nachteile nicht hinreichend substantiiert dargelegt

Das BVerfG hat den Antrag ist unzulässig verworfen. Die Antragsteller haben nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihnen ein schwerer Nachteil droht, zu dessen Abwehr der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten ist (§ 32 BVerfGG). Hinsichtlich des Antragstellers zu 4., der nicht geimpft, aber genesen ist, ist ein Nachteil in Form eines Ausschlusses von der Teilnahme an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages nicht ersichtlich. Seine Behauptung, hiervon wegen des Wegfalls seines Genesenenstatus ausgeschlossen zu sein, geht fehl. Der Antragsteller zu 4. begründet den Wegfall seines Genesenenstatus mit der Verkürzung der Gültig­keitsdauer des Genese­nen­nach­weises durch das Robert Koch-Institut von sechs auf drei Monate am 15. Januar 2022. Dadurch habe er seinen Genesenenstatus über Nacht verloren. Demgegenüber haben die Antragsgegner dargelegt, dass für die Bestimmung des Genesenenstatus im Deutschen Bundestag unverändert die Frist von sechs Monaten gelte. Demgemäß ist der Antragsteller zu 4. nicht daran gehindert, an der Gedenkstunde persönlich teilzunehmen. Die von den Antragstellern hiergegen geltend gemachten Einwände vermögen hieran nichts zu ändern. Auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 1., der AfD-Fraktion, ist ein schwerer Nachteil nicht hinreichend substantiiert dargetan. Die Antragstellerin zu 1. macht geltend, der Ausschluss ungeimpfter und nicht genesener Abgeordneter von der Teilnahme an der Gedenkstunde stelle einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Recht auf freie Mandatsausübung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und auf effektive Opposition aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG dar. Insoweit hätte es jedoch zunächst einer Einordnung der Bedeutung von Gedenkstunden für die Wahrnehmung des freien Mandats und die politische Willensbildung bedurft. Gedenkstunden unterscheiden sich deutlich von der sonstigen parla­men­ta­rischen Arbeit. Abgeordnete nehmen daran regelmäßig als bloße Zuhörer teil. Ein unmittelbarer politischer Austausch zwischen den Abgeordneten und Fraktionen des Deutschen Bundestages findet in Gedenkstunden normalerweise nicht statt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Ausein­an­der­setzung mit der Frage geboten gewesen, welche Bedeutung der Teilnahme an Gedenkstunden für die Wahrnehmung des freien Mandats und die Teilhabe an der politischen Willensbildung zukommt.

Keine Beein­träch­tigung von Opposi­ti­o­ns­rechtdurch Ausschluss

Darüber hinaus ist in Bezug auf die Antragstellerin zu 1. in Rechnung zu stellen, dass der größere Teil der ihr angehörenden Abgeordneten an der Gedenkstunde teilnehmen kann. Deshalb hätte es näherer Erläuterung bedurft, warum der Ausschluss der übrigen Mitglieder einen so schwerwiegenden Nachteil bedeutet, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten ist. Es erschließt sich nicht, wie durch den Ausschluss einzelner Abgeordneter von der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages aus Gründen des Infek­ti­o­ns­schutzes Missver­ständnisse hinsichtlich der Position der AfD zum Gedenken an den Holocaust ausgelöst werden können. Ebenso genügt der Verweis der Antragsteller auf die Beein­träch­tigung der Möglichkeit zur Ausübung effektiver parla­men­ta­rischer Opposition den Anforderungen an die substantiierte Darlegung eines schweren Nachteils nicht. Im Hinblick auf die Gedenkstunde wird nicht deutlich, inwieweit diese einen Rahmen für die über die bloße repräsentative Anwesenheit hinausgehende Wahrnehmung effektiver Opposition bieten könnte.

Zugangs­re­ge­lungen für Gedenkstunde bereits seit Dezember 2021 bekannt.

Nach dem Vortrag der Antragsgegner waren der Antragstellerin zu 1. die konkret beabsichtigten Zugangs­re­ge­lungen für die Gedenkstunde bereits seit dem 16. Dezember 2021 bekannt. Sie habe diesen nicht widersprochen. Des Weiteren haben die Antragsgegner das Protokoll der Sitzung des Ältestenrates vom 13. Januar 2022 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller zu 2. als Vertreter der Antragstellerin zu 1. sein Einverständnis mit dem Hygienekonzept erklärte und darauf hinwies, dass einige Abgeordnete der Antragstellerin zu 1. danach nicht an der Veranstaltung teilnehmen könnten. Dies spricht dafür, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der Ausschluss einzelner Mitglieder der Antragstellerin zu 1. von der Teilnahme an der Gedenkstunde von dieser selbst nicht als ein schwerwiegender, nicht hinnehmbarer Eingriff in ihre Rechtsstellung gewertet wurde. Dass sich daran etwas geändert hätte und nunmehr ein schwerer Nachteil drohte, lässt sich dem Sachvortrag der Antragsteller nicht entnehmen. Hinsichtlich des Antragstellers zu 3., eines nicht geimpften und nicht genesenen Abgeordneten, ist ein schwerer Nachteil ebenfalls nicht dargelegt. Es ist schon nicht vorgetragen, dass der Antragsteller zu 3. an der Gedenkstunde teilnehmen möchte. Jedenfalls ist ihm im Rahmen der Gedenkstunde keine aktive Rolle zugedacht. Vielmehr könnte er lediglich als Zuhörer an der Veranstaltung teilnehmen. An der Kenntnisnahme der Inhalte der Gedenkstunde ist er nicht gehindert, da diese unter anderem im Parla­ments­fernsehen und im Internet übertragen wird. Dass gleichwohl der Ausschluss der persönlichen Anwesenheit des Antragstellers zu 3. von der Gedenkstunde einen schweren Nachteil darstellt, hätte vor diesem Hintergrund einer Begründung bedurft.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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