21.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Urteil29.10.2012

Erstattung von Schüler­be­för­de­rungs­kosten auch für Schüler der 10. Klasse des G8-SchulsystemsMangels genauer gesetzlicher Regelung entspricht Klasse 10 bei G8-Schülern sowohl Sekundarstufe I als auch Sekundarstufe II

Schüler, die die 10. Klasse im Rahmen der Schulform G8 besuchen, haben Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Wiesbaden hervor.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: die Klägerin besucht seit August 2011 im Rahmen der Schulform G8 die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe. Ihr Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten wurde vom Rheingau-Taunus-Kreis mit der Begründung zurückgewiesen, für den Besuch der Oberstufe (Klasse 10 bei G8-Schülern und Klasse 11 bei G9-Schülern) erfolge keine Erstattung der Fahrtkosten.

Schulträger zur Erstattung von Fahrtkosten verpflichtet

Das Gericht gab der Klage statt. Nach dem Schulgesetz (§ 161 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 3 HSchG) seien die Schulträger verpflichtet, für die auf ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) die notwendigen Beför­de­rungs­kosten zur nächstgelegenen aufnahmefähigen Schule zu erstatten, deren Unter­richts­angebot es der Schülerin oder dem Schüler ermöglicht, den gewünschten Abschluss am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe I) ohne Schulwechsel zu erreichen.

Mittelstufe endet mit Abschluss der mittleren Reife

Das Gericht urteilte, dass die Mittelstufe (Sekundarstufe I) zweifellos mit dem Abschluss der mittleren Reife endet und nicht mit einem Haupt­schul­ab­schluss. Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main habe hierzu bereits entschieden, dass der mittlere Abschluss am Ende der Jahrgangsstufe 10 erteilt werde, gleich ob es sich um G8- oder G9- Schüler handele. Das Zeugnis von G9-Schülern, die die Jahrgangsstufen 5 bis 10 absolvierten, werde mit der Versetzung in die Einfüh­rungsphase (Klasse 11) in die gymnasiale Oberstufe dem mittleren Abschluss gleichgestellt. Bei Schülern, die den verkürzten Bildungsgang G8 mit den Jahrgangsstufen 5 bis 9 absolvierten, erfolge eine Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss erst mit der Zulassung zur Quali­fi­ka­ti­o­nsphase (Klasse 11) der gymnasialen Oberstufe, weil diese Schüler dann ebenfalls 10 Schuljahre besucht haben. Dies ergebe sich auch aus der entsprechenden Verordnung (§ 39 Abs. 2 VOBGM).

Klasse 10 bei G8-Schülern bildet "Schnittmenge"

Dass die Mittelstufe bei G8-Schülern mit der 9. Klasse ende, regele das Gesetz demgegenüber nicht. Nach den Feststellungen des Gerichts sei bei G8 die 10. Klasse als Einfüh­rungsphase Teil der Sekundarstufe II, zugleich sei jedoch die 10. Klasse auch als Jahrgangsstufe 10 die Grundlage zum Erwerb des mittleren Bildungs­ab­schlusses (Sekundarstufe I), welche zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe berechtigt (§ 13 Abs. 4 HSchG). Da die Erstat­tungs­vor­schrift des § 161 HSchG eindeutig auf den gewünschten Abschluss am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe I) abstelle, bestehe mangels genauer gesetzlicher Regelung die Situation, dass die Klasse 10 bei G8- Schülern sowohl der Sekundarstufe I als auch der Sekundarstufe II angehöre, quasi eine Schnittmenge bilde. Diese Unklarheiten könnten nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Gegen das Urteil hat der Beklagte die Zulassung der Berufung bei dem Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof in Kassel bereits beantragt (6 K 942/12.WI.).

Hinweise:

Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschluss­prü­fungen in der Mittelstufe (VOBGM) vom 14. Juni 2005

§ 39 - Gleichstellung mit dem Abschluss der Jahrgangstufe 9 (Haupt­schul­ab­schluss) und dem mittleren Abschluss (Realschul­ab­schluss)

(1) Das Zeugnis der Schülerinnen und Schüler, die in die Jahrgangsstufe 10 einer Realschule, eines Gymnasiums oder entsprechender Schulzweige versetzt worden sind, steht dem Abschluss der Jahrgangsstufe 9 (Haupt­schul­ab­schluss) gleich. (…).

(2) Das Zeugnis der Schülerinnen und Schüler, die in einer schul­form­be­zogenen (kooperativen) Gesamtschule mit den Jahrgangsstufen 5 bis 10 des Gymnasialzweigs oder einer schul­for­m­über­grei­fenden (integrierten) Gesamtschule in die Einfüh­rungsphase der gymnasialen Oberstufe versetzt sind, steht dem mittleren Abschluss (Realschul­ab­schluss) gleich. Das gleiche gilt für Schülerinnen und Schüler mit verkürztem gymnasialen Bildungsgang (Jahrgangsstufen 5 bis 9), die zur Quali­fi­ka­ti­o­nsphase nach § 12 der Oberstufen- und Abitur­ver­ordnung (OAVO) vom 20. Juli 2009 (ABl. S. 408) in der jeweils geltenden Fassung zugelassen wurden. (…)

Hessisches Schulgesetz (Schulgesetz - HSchG -) in der Fassung vom 14. Juni 2005

§ 31 - Gliederung

(1) Die gymnasiale Oberstufe gliedert sich in die einjährige Einfüh­rungsphase und die zweijährige Quali­fi­ka­ti­o­nsphase.

(...)

Hessisches Schulgesetz (Schulgesetz - HSchG -) in der Fassung vom 14. Juni 2005

§ 161 - Schüler­be­för­derung

(1) Träger der Schülerbeförderung sind die Gemeinden, die Schulträger sind, die kreisfreien Städte und die Landkreise für die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und für die Schülerinnen und Schüler, die die Grundstufe der Berufsschule, das erste Jahr der Bildungsgänge nach § 39 Abs. 6 an der Berufsschule oder einer Berufs­fach­schule besuchen, durch deren Besuch die Vollzeit­schul­pflicht erfüllt werden kann. Abweichend von Satz 1 ist der Landes­wohl­fahrts­verband Hessen Träger der Schüler­be­för­derung für die Schülerinnen und Schüler, deren Beschulung nach § 139 Abs. 1 und 3, die Fachschulen für Sozialpädagogik ausgenommen, seine Aufgabe ist.

(2) -(4) (…)

(5) Notwendig sind die Beför­de­rungs­kosten für den Besuch

1. - 2. (…)

3. der nächstgelegenen, aufnahmefähigen Schule, deren Unter­richts­angebot es der Schülerin oder dem Schüler ermöglicht, den gewünschten Abschluss am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe 1) ohne Schulwechsel zu erreichen; (…).

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online

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