18.10.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Urteil19.11.2008

Keine GEZ-Gebühren für gewerbliche Nutzung eines Internet-PCKeine tragfähige Rechtsgrundlage

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat der Klage eines Eltvillers stattgegeben, der sich gegen die Heranziehung zu Rundfunk­ge­bühren für seinen gewerblich genutzten Internet-PC gewandt hat.

Der Kläger hat in demselben Haus, in dem sich auch seine Privatwohnung befindet, ein Büro mit einem PC, von dem aus er seinem Nebenerwerb (EDV-Betreuung und Program­m­ent­wicklung) nachgeht. Für seinen Privathaushalt zahlt der Kläger Rundfunk- und Fernsehgebühren. Um eine Klärung herbeizuführen, ob er denn Rundfunkgebühren für seinen gewerblich genutzten PC zahlen müsse, bat er um Erteilung eines rechts­mit­tel­fähigen Bescheids durch die GEZ und brachte so das Verfahren ins Rollen. Der Computer mit Internet-Zugang sei für den Betrieb seines Gewerbes unverzichtbar. Eine Nutzung des PC als Radio oder Fernseher finde nicht statt und sei darüber hinaus nur unerwünschte Ablenkung während der Arbeit. Aus diesem Grund befinde sich auch kein Radio in seinem Fahrzeug.

Richter: Keine tragfähige Rechtsgrundlage

Das Gericht gab Klage in vollem Umfang statt, da es für die Gebüh­re­n­er­hebung keine tragfähige Rechtsgrundlage gebe. Wegen ihres belastenden Charakters müssten Beitrags- und Gebüh­ren­be­scheide im Gesetz klar definiert und von ihrem Ausmaß her begrenzt sein. Der zahlende Bürger müsse aus dem Wortlaut erkennen, für was und in welcher Höhe er mit Abgaben belastet werde.

Die Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht werde durch Bereithalten eines Rundfun­k­emp­fangs­gerätes begründet. Was darunter zu verstehen sei, definiere der Rundfunk­ge­büh­ren­staats­vertrag. Danach sei ein Rundfun­k­emp­fangsgerät eine technische Einrichtung, die zur Hör- und Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkd­a­r­bie­tungen geeignet ist. Habe der Nutzer ein derartiges Gerät in seinem Besitz, dann komme es auf die tatsächliche Inanspruchnahme und die Nutzungs­ge­wohn­heiten im Einzelnen nicht mehr an.

Keine Regelung für Internet-PC im Staatsvertrag

"Neuartige Rundfun­k­emp­fangs­geräte" wie ein Internet-PC, würden in den Vorschriften, die die Gebührenpflicht regelten, allerdings nicht erwähnt. Nur aus einem Umkehrschluss könne man auf das Vorliegen einer Gebührenpflicht schließen. Das reiche, so das Gericht, nicht aus, denn damit sei der Gebüh­ren­tat­bestand nur unzureichend konkretisiert. Ein vernünftiger Durch­schnitts­bürger werde unter einem Rundfun­k­emp­fangsgerät ein Radiogerät / Empfangsteil verstehen, das zumindest auch zu Zwecken des Rundfun­k­empfangs angeschafft worden sei. Diese treffe auf einen Internet-PC nicht zu, denn dieser werde - jedenfalls außerhalb des privaten Bereichs - nicht typischerweise zum Empfang von Sendungen des Hörfunks bereitgehalten. Vielmehr stehe die Nutzung für telekom­mu­ni­kative Anwendungen im Vordergrund. Ein Rundfunkempfang über den PC zu beruflichen Zwecken sei eher fernliegend.

Im Übrigen sei nicht geklärt, ob die Gebührenpflicht nur für PCs mit tatsächlichem Internetzugang begründet werden solle oder bereits für nur grundsätzlich internetfähige Rechner anfalle. Abschließend sah das Gericht auch noch aus einem anderen Grund keine Pflicht des Klägers zur Zahlung: Er habe nämlich bereits seine privaten Geräte auf demselben Grundstück angemeldet und profitiere daher von der sogenannten Zweit­ge­rä­te­freiheit.

Auszug aus dem Rundfunkstaats­vertrag:

Erläuterungen
§ 1 Rundfun­k­emp­fangs­geräte, Rundfunk­teil­nehmer

(1) Rundfun­k­emp­fangs­geräte im Sinne dieses Staatsvertrages sind technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkd­a­r­bie­tungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet sind. Rundfun­k­emp­fangs­geräte sind auch Lautsprecher, Bildwie­der­ga­be­geräte und ähnliche technische Einrichtungen als gesonderte Hör- oder Sehstellen. Mehrere Geräte gelten dann als ein einziges Rundfun­k­emp­fangsgerät, wenn sie zur Verbesserung oder Verstärkung des Empfangs einander zugeordnet sind und damit eine einheitliche Hör- oder Sehstelle bilden.

(2) Rundfunk­teil­nehmer ist, wer ein Rundfun­k­emp­fangsgerät zum Empfang bereithält. Ein Rundfun­k­emp­fangsgerät wird zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkd­a­r­bie­tungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können.

§ 5 Zweitgeräte, gebührenfreie Geräte

(3) Für neuartige Rundfun­k­emp­fangs­geräte (insbesondere Rechner, die Rundfunk­pro­gramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn

1. die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusam­men­hän­genden Grundstücken zuzuordnen sind und

2. andere Rundfun­k­emp­fangs­geräte dort zum Empfang bereitgehalten werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16/08 des VG Wiesbaden vom 24.11.2008

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