21.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss05.07.2016

Zeugnis­verweigerungs­recht im Ordnungs­widrigkeiten­verfahren schützt nicht vor FahrtenbuchSchwerwiegender Verkehrsverstoß und verweigerte Mitwirkung bei Ermittlung des Fahrers rechtfertigen Fahrten­buch­auflage

Eine Fahrten­buch­auflage für ein Kraftfahrzeug für die Dauer von 12 Monaten ist rechtmäßig, wenn mit dem Fahrzeug die zulässige Höchst­geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 23 km/h überschritten wurde und der Halter bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mitgewirkt hat. Der Halter des Fahrzeugs kann dagegen nicht einwenden, die Fahrten­buch­auflage sei unzulässig, weil er sich in dem vorangegangenen Ordnungs­widrigkeits­verfahren auf ein Zeugnis­verweigerungs­recht habe berufen dürfen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Neustadt.

Der im Landkreis Germersheim wohnhafte Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens ist Halter eines Kraftfahrzeugs. Mit diesem wurde am 9. Januar 2016 um 21.05 Uhr in der Innenstadt von Karlsruhe die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft um mindestens 23 km/h überschritten. Der Verstoß wurde auf einem Lichtbild dokumentiert. Darauf ist eine männliche Person zu erkennen.

Fahrzeughalter macht von Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht Gebrauch

Die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe ermittelte daraufhin den Antragsteller als Fahrzeughalter und übersandte ihm Ende Januar 2016 einen Anhörungsbogen mit dem Fahrerfoto. Nachdem der Antragsteller nicht darauf reagierte, forderte die Bußgeldstelle bei der Verbands­ge­mein­de­ver­waltung Kandel das dort einliegende Passbild des Antragstellers zum Abgleich mit dem Beweisfoto an. Dabei ergab sich, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um den Fahrzeugführer handelte. Am 1. April 2016 suchten Beamte der Polizei­in­spektion Wörth den Antragsteller auf. Nachdem dieser belehrt und auf sein Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf nahe Angehörige hingewiesen worden war, machte der Antragsteller nach Vorlage des Beweisfotos keine Angaben. In der Folgezeit stellte die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe das gegen den Antragsteller eingeleitete Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahren ein.

Kreisverwaltung ordnet Führung eines Fahrtenbuches an

Mit Bescheid vom 23. Mai 2016 verpflichtete daraufhin die Kreisverwaltung Germersheim den Antragsteller zur Führung eines Fahrtenbuches für sein Kraftfahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Antragsteller legt Widerspruch gegen Fahrten­buch­auflage ein

Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt und Ende Juni 2016 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führte er aus, dass der Antragsgegner zum einen nicht alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass er im Bußgeld­ver­fahren berech­tig­terweise von seinem Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht Gebrauch gemacht habe. Der Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­be­rechtigte solle vor dem inneren Konflikt bewahrt werden, gegen seine Familien­an­ge­hörigen aussagen zu müssen. Wäre es aber zulässig, im Nachhinein eine Fahrtenbuchauflage anzuordnen, so würde mittelbar doch ein Aussagedruck entstehen. Er, der Antragsteller, hätte der Maßnahme und den Gebühren, die hier im Ergebnis sogar höher seien als das für die eigentliche Ordnungs­wid­rigkeit zu verhängende Bußgeld, nur durch Verzicht auf sein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht entgehen können. Die Fahrten­buch­auflage bewirke auch eine vollständige Aushöhlung des Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­rechts hinsichtlich möglicher zukünftiger Verkehrs­verstöße seiner Familien­an­ge­hörigen.

VG erklärt Fahrten­buch­auflage für rechtmäßig

Den Eilantrag des Antragstellers lehnte das Verwal­tungs­gericht Neustadt mit der Begründung ab, dass die Fahrten­buch­auflage für das Kraftfahrzeug des Antragstellers rechtmäßig sei. Mit dem auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeug sei am 9. Januar 2016 um 21.05 Uhr den Verkehrs­vor­schriften zuwider gehandelt worden, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs in der Innenstadt von Karlsruhe die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit von 50 km/h um 23 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten habe. Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrten­buch­auflage, dass der verantwortliche Fahrzeugführer im Zeitpunkt der Begehung des Verkehrs­ver­stoßes nicht habe ermittelt werden können, sei ebenfalls offensichtlich erfüllt. Da der Antragsteller an der Aufklärung nicht mitgewirkt habe, sei es dem Antragsgegner nicht zuzumuten gewesen, wahllos zeitraubende, aber kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.

Berufen auf Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht führt nicht zur Unzulässigkeit der Fahrten­buch­auflage

Bei dem Verkehrsverstoß vom 9. Januar 2016 habe es sich auch um einen schwerwiegenden Verstoß gehandelt, der eine Fahrten­buch­auflage rechtfertige. Die festgestellte Geschwin­dig­keits­über­schreitung um 23 km/h (nach Toleranzabzug) stelle einen Verkehrsverstoß dar, der zu einem Eintrag von einem Punkt im Fahreig­nungs­re­gister geführt hätte. Der Antragsteller könne als Halter eines Kraftfahrzeugs auch nicht einwenden, die Fahrten­buch­auflage sei unzulässig, weil er sich in dem vorangegangenen Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren auf ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht habe berufen dürfen. Denn die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, diene der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und stelle eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr dar. Sie solle auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden sei und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichts­pflichten anhalten, soweit er andere Fahrer sein Fahrzeug benutzen lasse. Der Antragsteller müsse es sich daher gefallen lassen, dass mit anderen Mitteln - eben der Fahrten­buch­auflage - in Zukunft sichergestellt werde, dass der Täter einer Ordnungs­wid­rigkeit oder einer Straftat im Straßenverkehr zur Rechenschaft gezogen werden könne. Ein doppeltes "Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren die Aussage zu verweigern und trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrten­buch­auflage verschont zu bleiben, bestehe nicht.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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