23.11.2024
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Verwaltungsgericht Münster Beschluss20.07.2017

Stadt Münster muss Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung in einer Kindertages­einrichtung zur Verfügung stellenGericht beanstandet Verga­be­ver­fahren von Kita-Plätzen in Münster

Das Verwal­tungs­gericht Münster hat der Stadt Münster im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, einem im Februar 2016 geborenen und im Innen­stadt­bereich Münsters wohnenden Kind einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Betreu­ungs­umfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kindertages­einrichtung zur Verfügung zu stellen, die in nicht mehr als 15 Minuten von der elterlichen Wohnung erreichbar ist.

Im zugrunde liegenden Fall hatten die Eltern des Antragstellers Ende Februar 2017 dem Jugendamt der Stadt Münster mitgeteilt: Da sie beide in Vollzeit erwerbstätig seien, suchten sie ab April oder spätestens August 2017 einen Platz für ihr Kind in der Kinder­ta­ges­be­treuung für 45 Stunden wöchentlich. Ihr Kind sei im sogenannten Kita-Navigator angemeldet. Dort merkten sie das Kind bei insgesamt 14 Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen und Tages­pfle­ge­stellen vor. Ende Mai 2017 teilte das Jugendamt den Eltern mit: Das aktuelle Platzangebot reiche bedau­e­r­li­cherweise nicht aus, um für alle vorgemerkten Kinder Plätze zuzusagen. In der Folgezeit bot das Jugendamt den Eltern insgesamt drei Stellen der Kinder­ta­gespflege ("Tagesmutter") an, die die Eltern ablehnten. Am 3. Juli 2017 beantragten sie für ihr Kind die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Antragsteller hat Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer öffentlich geförderten Tages­ein­richtung oder in Tagespflege

Diesem Antrag gab das Verwal­tungs­gericht Münster nunmehr statt. In den Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem: Der Antragsteller habe einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer öffentlich geförderten Tages­ein­richtung oder in Tagespflege. Dieser Leistungs­an­spruch sei rechtlich so ausgestaltet, dass auf entsprechenden Wunsch jedem Kind ein solcher Platz zur Verfügung gestellt werden müsse. Diesen Anspruch des Antragstellers habe die Antragsgegnerin nicht dadurch erfüllt, dass sie unter Hinweis auf die aktuell nicht ausreichende Zahl an Plätzen in den öffentlich geförderten Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen dem Antragsteller bzw. seinen Eltern Möglichkeiten seiner Betreuung in Kinder­ta­gespflege angeboten habe. Zwar könne der Träger der Jugendhilfe seine Verpflichtung zur Förderung von unter dreijährigen Kindern gleichermaßen mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in einer Kindertagesstätte und mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in der Kinder­ta­gespflege erfüllen. Dabei sei das Jugendamt allerdings verpflichtet, den Leistungs­be­rech­tigten auch die ihren Wünschen entsprechende Betreuungsform zu vermitteln. Das Wunsch- und Wahlrecht finde nur dann seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform vorhanden seien. Die Antragsgegnerin dürfte jedoch nicht nachgewiesen haben, dass dem Antragsteller gegenwärtig kein Betreuungsplatz in einer Kinder­ta­ges­ein­richtung zugewiesen werden könne.

Beweis für sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe städtischer Kinder­gar­ten­plätze nicht gegeben

Nach der Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nordrhein-Westfalen setze der Nachweis der Erschöpfung der Kapazitäten voraus, dass ein sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe der städtischen Kinder­gar­ten­plätze stattgefunden habe. Hier sei bereits nicht erkennbar, dass die Betreu­ungs­plätze im Rahmen eines standa­r­di­sierten Verga­be­ver­fahrens vergeben würden. Für die Vergabe der Betreu­ungs­plätze in den öffentlich geförderten Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen und der Kinder­ta­gespflege habe die Antragsgegnerin zwar das Online-Portal "Kita-Navigator" eingerichtet. Den dortigen Hinweisen könne aber nicht entnommen werden, dass ein sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe der städtischen Kinder­gar­ten­plätze stattgefunden habe. Insbesondere lasse sich in Anbetracht dessen, dass die Verga­be­ent­schei­dungen allein durch die jeweilige Kita-Leitung oder deren Träger nach jeweils eigenen Kriterien getroffen werden, nicht feststellen, dass der Vergabe der Betreu­ungs­plätze in jedem Fall sachgerechte Entschei­dungs­kri­terien zugrunde lägen. Mangels eines Vergabesystems mit einheitlichen Vorgaben erscheine es weder transparent, nach welchen Kriterien die Betreu­ungs­plätze vergeben würden, noch erscheine es gewährleistet, dass die Platzvergabe im Einzelfall nach sachgerechten Kriterien erfolge. Lasse sich mithin eine sachgerechte Platzvergabe jedenfalls in den städtischen Kinder­ta­gess­tätten nicht nachvollziehen, sei schon deshalb kein Nachweis der Erschöpfung der Kapazitäten erkennbar. Diesen Nachweis habe die Antragsgegnerin auch deshalb nicht geführt, weil sie lediglich festgestellt habe, dass dem Antragsteller kein Platz in einer der von seinen Eltern im Kita-Navigator vorgemerkten Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen zur Verfügung gestellt werden könne. Ob und ggf. welche weiteren Einrichtungen die Antragsgegnerin in Betracht gezogen habe, sei hingegen nicht erkennbar. Der Kita-Navigator weise für den Bereich im Umkreis von 2 km um die Wohnung des Antragstellers und seiner Eltern insgesamt 49 Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen aus, darunter drei städtische Einrichtungen. Die Antragsgegnerin habe jedoch lediglich bei elf Einrichtungen Nachforschungen über die Platzvergabe angestellt. Erkenntnisse über die Belegungs­si­tuation der übrigen Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen lägen dagegen nicht vor. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller aber auch deshalb nicht auf die Kinder­ta­gespflege verweisen dürfen, weil die angebotenen Tages­pfle­ge­stellen nicht als für die Eltern zumutbar anzusehen seien. Diese deckten entweder nicht ihre Arbeitszeiten ab oder seien für sie nicht in zumutbarer Zeit erreichbar. Ausweislich des Kita-Navigators bestünden in Münster insgesamt 180 Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen und ca. 290 Angebote der Kinder­ta­gespflege, wovon sich mindestens 50 im Innstadtbereich (etwa im Bereich von 2 km um den Domplatz) befänden. Angesichts dessen könne jedenfalls für den Innen­stadt­bereich Münsters davon ausgegangen werden, dass hier in der Regel eine fußläufige Erreichbarkeit der Betreu­ungs­plätze in Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen bzw. in Kinder­ta­gespflege gegeben sei, ein Betreuungsplatz jedenfalls in nicht mehr als 15 Minuten erreicht werden könne.

Quelle: Verwaltungsgericht Münster/ra-online

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