15.11.2024
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss26.04.2012

VG Gelsenkirchen bezweifelt Vereinbarkeit der Studi­en­platz­vergabe nach Wartezeit mit dem GrundgesetzGericht verweist auf Verstoß gegen Grundrecht auf freie Berufswahl und allgemeinen Gleich­heits­grundsatz

Das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen hat dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage vorgelegt, ob die Regelungen zur Vergabe von Studienplätzen nach Wartezeit gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl und den allgemeinen Gleich­heits­grundsatz verstoßen.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatten sich eine Klägerin und zwei Kläger aus Nordrhein-Westfalen, Berlin und Niedersachsen zum Wintersemester 2011/2012 bei der Stiftung für Hochschul­zu­lassung (früher ZVS) jeweils um einen Studienplatz für Humanmedizin beworben. Trotz der inzwischen erreichten Wartezeit von sechs Jahren erhielten sie keine Zulassung zum Studium. Mit der Klage machen sie geltend, dass die Wartezeit von inzwischen 13 Semestern die Dauer des Studiums überschreite.

Kläger erfüllen mit Abiturnoten nicht die für eine Auswahl in der Abitur­bes­tenquote maßgeblichen Auswahlgrenzen

Ca. 40 % der Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden von der Stiftung für Hochschul­zu­lassung in einem zentralen Verga­be­ver­fahren vergeben. Die übrigen Studienplätze vergeben die Hochschulen selbst. Von der Stiftung werden die Studienplätze im Wesentlichen nach den von den Studien­be­werbern erzielten Abitur­durch­schnittsnoten und der von ihnen erreichten Wartezeit vergeben. Die Kläger erfüllten mit ihren Abiturnoten nicht die für eine Auswahl in der Abitur­bes­tenquote zum Wintersemester 2011/2012 maßgeblichen Auswahlgrenzen, die bei Durch­schnittsnoten von 1, bis 1,2 lagen. In der Wartezeitquote ist für eine Verteilung neben der angesammelten Wartezeit als nachrangiges Auswahl­kri­terium ebenfalls die Abiturnote maßgeblich. An dieser Auswahlgrenze sind die Antragsteller auch mit ihren Bewerbungen zum Sommersemester 2012 mit einer Wartezeit von nunmehr 13 Semestern gescheitert.

Auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten müssen zumindest realistische Chance auf Zulassung haben

Wie bereits in vorhergehenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sah das Gericht vor dem Hintergrund entsprechender Entscheidungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Numerus Clausus aus den siebziger Jahren die Grenze des verfas­sungs­rechtlich Zulässigen überschritten, da auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten zumindest eine realistische Chance auf Zulassung haben müssten. Dies sei bei Wartezeiten von mehr als sechs Jahren nicht mehr der Fall. Hinzu komme, dass im derzeitigen Auswahl­ver­fahren der Abiturnote ein erhebliches Gewicht zukomme und rund drei Viertel der Abiturienten eines Jahrgangs keine Chance auf Zulassung allein aufgrund ihrer Abiturnote hätten. Wegen der hohen Bedeutung der Abiturnote im derzeitigen Auswahlsystem gewinnen nach Auffassung des Gerichts auch geringfügige Noten­un­ter­schiede in den Durch­schnitts­a­bi­turnoten der Bundesländer ein Gewicht, das zu einer sachlich nicht mehr gerecht­fer­tigten Ungleich­be­handlung der Studienbewerber führe. Eine Kompensation dieser systembedingten Ungleich­be­handlung durch die Zulassung über die Wartezeit sei aufgrund der langen und voraussichtlich weiter steigenden Wartezeit mit dem nachrangigen Auswahl­kri­terium der Abiturnote nicht mehr gewährleistet.

VG setzt Verfahren aus und erbittet Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts

Da die Frage der Verfassungswidrigkeit des im Staatsvertrag zur Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschul­zu­lassung geregelten Auswahl­ver­fahrens für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits entscheidend ist, beschloss das Gericht, das Verfahren auszusetzen und nach Artikel 100 des Grundgesetzes die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hierzu einzuholen.

In einem weiteren Verfahren einer Klägerin aus Schleswig-Holstein zum Studiengang Tiermedizin hat das Gericht die Verhandlung vertagt, um den Sachverhalt weiter aufklären zu können.

Quelle: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen/ra-online

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