18.10.2024
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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Urteil04.05.2007

Studi­en­platz­vergabe darf allein nach Abitur­no­ten­durch­schnitt erfolgenKein Verstoß gegen Gleich­heits­grundsatz

Der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof hat entschieden, dass die Vergabe von Studienplätzen, die allein nach dem Abitur­durch­schnitt erfolgt, nicht verfas­sungs­widrig ist. Das Gericht hat eine entsprechende Popularklage dreier Abiturienten abgewiesen.

Die Studenden wollten die Verfas­sungs­wid­rigkeit es § 2 der Satzung zur Regelung des Hochschul­aus­wahl­ver­fahrens gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 3 des Hochschul­rah­men­ge­setzes an der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 13. Mai 2005 I feststellen lassen.

I.

Gegenstand der Popularklage ist eine Hochschul­satzung zur Vergabe von Studienplätzen. Die Ludwig-Maximilians-Universität München hat in der angegriffenen Satzung bestimmt, dass für das Hochschul­aus­wahl­ver­fahren bei der Vergabe von Studienplätzen in den Fächern Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin die Durch­schnittsnote der Hochschul­zu­gangs­be­rech­tigung (allein) maßgeblich ist; bei Ranggleichheit entscheidet das Los. Das Hochschul­aus­wahl­ver­fahren betrifft die Vergabe von 60 % der - nach Vorabquoten z. B. für Härtefälle verbleibenden - Studienplätze; 20 % werden von der ZVS nach der Abiturnote vergeben, weitere 20 % nach der Wartezeit.

II.

1. Die Antragsteller rügen, die Vergabe von Studienplätzen nach der bloßen, ungewichteten Abitur­durch­schnittsnote verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV), das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV), das Rechts­s­taats­prinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und gegen die aus Art. 128 BV abzuleitenden Bildungs- und Ausbil­dungs­grund­rechte. Bei der Vergabe von Studienplätzen im Hochschul­aus­wahl­ver­fahren sei neben der Abiturnote mindestens ein weiteres Kriterium, wie z. B. eine bereits absolvierte Berufs­aus­bildung, heranzuziehen. Es müssten zudem Landesquoten gebildet werden, um einer Benachteiligung bayerischer Studi­en­platz­be­werber, die erheblich schwierigere Abiturprüfungen als Bewerber aus anderen Bundesländern abzulegen hätten, entge­gen­zu­wirken. Das angegriffene Hochschul­aus­wahl­ver­fahren biete keine echte Chance­nof­fenheit für alle Studi­en­platz­be­werber. Angesichts einer faktisch fast unmöglichen Zulassung im Rahmen von Härtefallquoten und überlanger Wartezeiten könne nicht mehr von einem gerechten Auswahlsystem gesprochen werden. Der in der Satzung vorgesehene Losentscheid bei Ranggleichheit von Bewerbern sei verfas­sungs­widrig, weil unsachlich und ungeeignet. Im Übrigen sei die Auswahlsatzung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

2. Die Bayerische Staatsregierung und die Ludwig-Maximilians-Universität München halten die Popularklage für unbegründet. Aus den zugrunde liegenden Regelungen des § 32 Abs. 3 Nr. 3 Hochschul­rah­men­gesetz (HRG) und des Art. 7 a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen (AGStV) ergebe sich, dass die Abiturnote im Hochschul­aus­wahl­ver­fahren als alleiniges Auswahl­kri­terium verwendet werden dürfe. Für eine Benachteiligung bayerischer Abiturienten seien belastbare und nachprüfbare Belege bislang nicht erbracht worden. Die bundes­recht­lichen Vorgaben schlössen Landesquoten im Hochschul­aus­wahl­ver­fahren aus. In Anbetracht einer beschränkten Aufnah­me­ka­pazität könnten nicht alle Studienbewerber sofort zugelassen werden. Die Bewerber mit besseren Abiturnoten dürften vorrangig berücksichtigt werden. Die Auswahl durch Losentscheid bei Ranggleichheit werde durch § 32 Abs. 4 HRG vorgegeben. Die Anforderungen an die Bekanntmachung von Hochschul­sat­zungen seien eingehalten worden.

III.

Der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof hat die Popularklage mit Entscheidung vom 4. Mai 2007 als unbegründet abgewiesen.

1. Die angegriffenen Satzungs­be­stim­mungen verstoßen nach Auffassung des Verfas­sungs­ge­richtshofs nicht gegen das Rechts­s­taats­prinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV).

Die Regelung, wonach Studienplätze im Hochschul­aus­wahl­ver­fahren der Ludwig-Maximilians-Universität München ausschließlich nach der Durch­schnittsnote der Hochschul­zu­gangs­be­rech­tigung vergeben werden, finde in Art. 7 a AGStV eine ausreichende Ermäch­ti­gungs­grundlage und entspreche den bundes­recht­lichen Vorgaben des Hochschul­rah­men­ge­setzes. Verfas­sungs­rechtlich relevante Mängel bei der Verkündung der Hochschul­satzung seien nicht feststellbar.

2. Der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) sei nicht verletzt.

a) Das deutsche Abitur berechtige, unabhängig davon, in welchem Bundesland es erworben wurde, zum Studium an bayerischen Hochschulen. Der Satzungsgeber habe davon ausgehen dürfen, dass außerbayerische Zeugnisse auch hinsichtlich der in ihnen zuerkannten Durch­schnittsnoten mit entsprechenden bayerischen Zeugnissen vergleichbar seien.

b) Ein Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV könne auch nicht im Hinblick darauf festgestellt werden, dass Bewerber, die sämtlich die subjektiven Immatri­ku­la­ti­o­ns­vor­aus­set­zungen erfüllen und damit an sich die gleiche Qualifikation aufweisen, ungleich behandelt würden. Eine Auswahl der Bewerber, die bevorzugt nach dem durch die Durch­schnittsnote des Schul­ab­schlusses bestimmten Grad der Eignung vorgenommen werde, sei auch nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts solange verfas­sungs­rechtlich vertretbar, wie durch eine kumulative Anwendung des Leistungs- und Warte­zeit­prinzips die nachteiligen Auswirkungen dieser Auswahl­kri­terien einigermaßen ausgeglichen würden; die Anforderungen an Durch­schnittsnoten und Wartezeiten dürften danach allerdings ein erträgliches Maß nicht überschreiten. Dies ist nach den Darlegungen des Verfas­sungs­ge­richtshofs derzeit nicht der Fall. Im Übrigen lasse sich die Frage, ob ein Bewerber im Bereich der harten Numerus-clausus-Fächer hinreichende Zulas­sung­s­chancen habe, nur aufgrund einer bundesweiten Betrachtung beurteilen. Die Hochschulen seien von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bereits innerhalb des Freistaates Bayern oder für einen einzelnen Hochschul­standort sicherzustellen, dass jeder Bewerber eine realistische Chance auf einen Studienplatz habe.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof habe in diesem Zusammenhang nicht zu überprüfen, ob der Normgeber die bestmögliche, zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt habe. Dass der Satzungsgeber den ihm eröffneten Gestal­tungs­spielraum weitgehend ungenutzt gelassen habe und die Heranziehung mehrerer Auswahl­kri­terien möglicherweise zweckmäßiger wäre, vermöge die Verfas­sungs­wid­rigkeit der angegriffenen Regelung daher nicht zu begründen. Die Einführung einer Landesquote für das Hochschul­aus­wahl­ver­fahren komme wegen der bundes­ge­setz­lichen Vorgaben nicht in Betracht.

c) Durch den bei Ranggleichheit von Bewerbern vorgesehenen Losentscheid werde Art. 118 Abs. 1 BV ebenfalls nicht verletzt.

3. Die angefochtenen Satzungs­be­stim­mungen verstoßen nach der Entscheidung des Verfas­sungs­ge­richtshofs auch nicht gegen Art. 101 und 128 BV.

Die Handlungs­freiheit werde nicht unzumutbar eingeengt. Art. 128 BV, der kein Grundrecht verbürge, verpflichte den Staat nicht, so viele und so vielfältige Ausbil­dungs­stätten zu errichten, dass jedermann die ihm entsprechende Ausbildung erhalten könne.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 08.05.2007

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