21.11.2024
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Verwaltungsgericht Darmstadt Urteil24.08.2011

Berechtigte Zweifel an der Verfas­sungstreue rechtfertigt Aufnahme einer Lehrerin in die sogenannte "Schwarze Liste"Gefahr der Einflussnahme auf der ihr anvertrauten Kinder zu hoch

Die Aufnahme einer Lehrerin in die so genannte "Schwarze Liste" ist weder rechtlich zu beanstanden noch stellt es einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Lehrerin dar. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Darmstadt in seiner Entscheidung bekannt gegeben.

Die Klage einer Lehrerin auf Löschung ihres Namens aus einer von den staatlichen Schulämtern geführte "Infor­ma­ti­o­nsliste" zur Vermeidung der Wieder­ein­stellung ungeeigneter Lehrkräfte in den Hessischen Schuldienst (so genannte "Schwarze Liste") war ohne Erfolg.

Kündigung wegen Zweifel an Verfas­sungstreue

Der Lehrerin, die in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006 jeweils befristete Angestell­ten­verträge erhalten hatte, wurde im März 2006 durch das staatliche Schulamt wegen "berechtigter Zweifel an der Verfas­sungstreue" fristlos gekündigt. Ein hiergegen durchgeführtes Kündi­gungs­schutz­ver­fahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden endete mit einem Vergleich. Nach Einführung der vorgenannten "Schwarzen Liste" im Jahr 2008 durch das Hessische Kultus­mi­nis­terium wurde die Klägerin dort als ungeeignete Lehrkraft vermerkt und über diese Eintragung informiert.

Genügend Hinweise auf Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene

Die hiergegen vor dem hiesigen Verwal­tungs­gericht erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führt das Gericht im Wesentlichen aus, weder die Einrichtung einer solchen Liste noch die Aufnahme (Speicherung) der Daten der Klägerin in diese Liste sei rechtlich zu beanstanden. So habe der Beklagte hinreichende Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass sich die Klägerin nicht - wie von § 3 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) gefordert - zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne. Die Klägerin sei viele Jahre lang Mitglied in der Partei "Die Republikaner" und für diese Partei Mitglied des Kreistages des Schwalm-Eder-Kreises gewesen, was bereits Zweifel an ihrer Verfassungstreue habe entstehen lassen. Nach ihrem Austritt bei den Republikanern im Frühjahr 2006 habe die Klägerin dann für das Bürgerbündnis "Pro Schwalm-Eder" als parteilose Bürgerin kandidiert, wobei sie in ihrem Austritts­schreiben eine sehr distanzierte Haltung zum deutschen Staat habe erkennen lassen. Weiterhin gehörten viele Vorstands­mit­glieder des Bündnisses "Pro Schwalm-Eder" als aktive Mitglieder der NPD oder neonazistischen Organisationen der Skinhead-Szene an. Wenn sich die Klägerin auf der Liste eines solchen Bürger­bünd­nisses aufstellen ließe, müsse sie auch damit rechnen, mit den Zielen und den Vorstellungen der übrigen auf der Liste vertretenen Kandidaten in Verbindung gebracht zu werden. Schließlich ergäben sich die Zweifel an der Verfas­sungstreue auch aus diversen Auftritten bei politischen Kundgebungen, unter anderem bei rechtsextremen Jugend­or­ga­ni­sa­tionen oder als Inter­vie­w­partnerin der NPD-Zeitschrift "Deutsche Stimme". Auch das private Umfeld der Klägerin spreche dafür, dass sie sich politisch dem rechten Rand zugehörig fühle, unter anderen sei ihr Ehemann seit 2010 Kreis­vor­sit­zender der NPD in Nordhessen; darüber hinaus hätten neben der Klägerin noch drei weitere Famili­en­mit­glieder bei der Kreistagswahl 2006 auf der Liste des Bürger­bünd­nisses kandidiert.

Eintragung in die Liste zum Schutz der anvertrauten Kinder rechtens

Die Aufnahme in die "Schwarze Liste" des Kultus­mi­nis­teriums stelle auch keinen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin dar. So rechtfertige es der hochrangige Schutz der verfas­sungs­mäßigen Ordnung und die Gefahr, dass eine gegen diese Ordnung eingestellte Lehrkraft die Erziehung der ihr anvertrauten Kinder zu verfas­sungs­feind­licher Einflussnahme missbrauchen könnte, der Klägerin diese Einschränkung bei der Berufswahl zuzumuten.

Erläuterungen

§ 3 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) lautet:

" Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen."

§ 34 Abs. 1 Hessisches Daten­schutz­gesetz lautet:

"Der Dienstherr oder Arbeitgeber darf Daten seiner Beschäftigten nur verarbeiten, wenn dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienst- oder Arbeits­ver­hält­nisses oder zur Durchführung inner­dienst­licher, planerischer, organi­sa­to­rischer, sozialer und personeller Maßnahmen erforderlich ist oder eine Rechts­vor­schrift, ein Tarifvertrag oder eine Dienst­ver­ein­barung es vorsieht. Die für das Perso­na­l­ak­tenrecht geltenden Vorschriften des Hessischen Beamtengesetzes sind, soweit tarif­ver­traglich nichts anderes geregelt ist, auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst entsprechend anzuwenden."

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ ra-online.

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