21.11.2024
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil10.03.2006

Gericht bestätigt das Unter­richts­verbot eines Heidelberger Lehrers wegen Mitgliedschaft in antifa­schis­tischer GruppeVom Beamten wird Verfas­sungstreue verlangt

Ein als linksextrem eingestufter Lehrer aus Heidelberg darf weder in Baden-Württemberg noch in Hessen unterrichten. Das hat das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe am 10. März 2006 entschieden und damit eine Klage des Lehrers abgewiesen. Das Gericht teilte nun die Entschei­dungs­gründe mit.

Es bestehen Zweifel, ob der Heidelberger Realschullehrer den Anforderungen an die Treuepflicht eines Beamten gerecht wird, entschied die 1. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe in ihrem Urteil vom 10. März 2006, deren Entschei­dungs­gründe heute bekannt gegeben wurden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können beim Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Der Kläger, der im Sommer 2002 in Heidelberg sein Lehramtsstudium mit guten Noten abgeschlossen hatte, bewarb sich beim damals zuständigen Oberschulamt für eine Stelle als Realschullehrer im Schuldienst des Landes und stand zunächst für Februar 2004 zur Einstellung als Beamter auf Probe an. Wegen seiner Aktivitäten im linksextremen Spektrum des Heidelberger Raums, über das der Verfas­sungs­schutz die Einstel­lungs­behörde unterrichtete, lehnte das Oberschulamt die Bewerbung des Klägers nach einem vertieften Einstel­lungs­ge­spräch dann im August 2004 ab. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit der Mitgliedschaft des Klägers in der Antifa­schis­tischen Initiative Heidelberg (AI HD), zu deren Zielen sich der Kläger bekenne. Dies begründe Zweifel an seiner Verfas­sungstreue. Nach erfolglosem Wider­spruchs­ver­fahren erhob der Kläger Klage beim Verwal­tungs­gericht. Er ist der Auffassung, seine Aktivitäten seien lediglich Zeichen seines langjährigen demokratischen Engagements, insbesondere gegen Krieg und Faschismus. Gewalt lehne er ab. Sein Verhalten im Unterricht sei nie bemängelt worden.

Das Verwal­tungs­gericht lehnte seine Klage ab und legt nunmehr die Entschei­dungs­gründe vor:

Die vom Gesetz geforderte Treuepflicht verlange von einem Beamten, dass er sich aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetze, so wie sie in über 50 Jahren Verfas­sungs­wirk­lichkeit und Verfas­sungs­ent­wicklung gelebt und gesichert worden sei, heißt es in den Urteilsgründen. Zwar müsse der Beamte sich nicht mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung identifizieren und dürfe mit Augenmaß auch Kritik an Erscheinungen des Staates üben. Von Gruppen, die diesen Staat, seine verfas­sungs­mäßigen Organe und die geltende Verfas­sungs­ordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren, müsse er sich jedoch kompromisslos distanzieren. Dies sei beim Kläger nicht gewährleistet.

Zwar verfolge die politisch links­o­ri­en­tierte autonome Szene, in der sich der Kläger seit Anfang der 90-er Jahre in Heidelberg bewege, mit ihrem Kampf für eine Welt ohne Rassismus, Ausbeutung und Krieg ohne Zweifel positive und verfas­sungs­gemäße Ziele. Die Verfas­sungs­schutz­be­richte des Bundes­mi­nis­teriums des Inneren und des Innen­mi­nis­teriums Baden-Württemberg berichteten jedoch übereinstimmend seit Jahren, dass sich der "Antifaschismus" der linksextremen Gruppierungen seit jeher nur vordergründig gegen den Recht­s­ex­tre­mismus richte und in Wahrheit ein gewaltbereiter Antifaschismus mit System überwindender Stoßrichtung gepflegt werde. Dies gelte auch für die Antifa­schis­tische Initiative Heidelberg, die nach ihrem Grund­la­gen­papier "Wir über uns!" überzeugt sei, dass "sich auf parla­men­ta­rischem Weg an den herrschenden Unter­drü­ckungs­ver­hält­nissen nichts Grundlegendes ändern lässt". Mit ihren weiteren Ausführungen über die "Kontinuität zwischen natio­nal­so­zi­a­lis­tischem Staat und der Bundesrepublik Deutschland" überschreite sie die Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und seiner Verfassung und diffamiere die Bundesrepublik Deutschland haltlos. Kaum verhüllt werde zum Kampf gegen die Grundlagen unseres Staates und die ihn tragende Gesellschaft aufgerufen. Kennzeichen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland sei jedoch der radikale Bruch mit der extrem autoritären, im Rechtswesen völlig willkürlichen und insgesamt menschen­feind­lichen Staatsordnung des so genannten Dritten Reiches und die Verwirklichung einer in jeder Hinsicht gegenteiligen Ordnung. Wer dies grundsätzlich leugne, wende sich gegen diese Verfassung.

Der Kläger habe sich grundsätzlich zu dem Inhalt des Grund­la­gen­papiers der Antifa­schis­tischen Initiative Heidelberg bekannt und es sei nachvollziehbar und für die Kammer zu akzeptieren, dass seine späteren Erklärungen die Zweifel der Schulbehörden an seiner Verfas­sungstreue nicht ausgeräumt hätten. Der Einsatz des Klägers als engagierter Streiter gegen Rechts und für friedliche Ausein­an­der­set­zungen mit der Staatsmacht schlössen eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber dem Staat und seiner Verfas­sungs­ordnung nicht aus, heißt es in den Entschei­dungs­gründen weiter. Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus den Staat und das Handeln seiner Verfas­sungs­organe wegen stets möglicher Missstände verachte, grundsätzlich ablehne und bekämpfe, sei als Beamter ungeeignet, weil er die besondere politische Treuepflicht nicht garantieren könne.

Auf die Verfas­sungstreue seiner Beamten sei der Staat auch nicht nur in Krisenzeiten und ernsthaften Konflikt­si­tua­tionen sondern auch in Zukunft angewiesen. Dies gelte im Besonderen für Lehrer, die wie der Kläger es wolle - die heranwachsenden Generationen in der Landessprache, in Geschichte und Gemein­schaftskunde unterrichteten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 6/2006 des Verwaltungsgericht Karlsruhe vom 21.03.2006

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