18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil30.03.2012

Kein unein­ge­schränktes Verbot zur Überlassung todbringender Medikamente an SterbewilligeUnein­ge­schränktes Verbot mit verfas­sungs­recht­lichem Maßstab der Freiheit der Berufsausübung und der Gewis­sens­freiheit des Arztes nicht vereinbar

Die Ärztekammer kann gegenüber einem Arzt kein unein­ge­schränktes Verbot der Überlassung todbringender Medikamente an Sterbewillige aussprechen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Berlin.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Ärztekammer Berlin einem Arzt, der in Berlin tätig und zum damaligen Zeitpunkt zweiter Vorsitzender des Vereins Dignitate (heute: Dignitas Deutschland) war, im Jahr 2007 untersagt, anderen Personen todbringende Substanzen für deren beabsichtigten Suizid zum Gebrauch zu überlassen. Hiergegen wandte sich der Arzt mit seiner Klage.

Ärztekammer Ärzte grundsätzlich überwachen und bei drohenden Pflicht­ver­stößen Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen erlassen

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hielt das ausnahmslose berufs­rechtliche Verbot in der Unter­sa­gungs­ver­fügung, eine ärztliche Beihilfe zum Suizid durch Überlassen von Medikamenten zu begehen, im konkreten Fall für zu weitgehend und hat es deshalb aufgehoben. Die Ärztekammer dürfe die Berufsausübung ihrer Mitglieder zwar auf der Grundlage des Berliner Kammergesetzes überwachen und bei drohenden Pflicht­ver­stößen Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen erlassen. Zu den Berufspflichten der Ärzte gehöre die gewissenhafte Ausübung ihres Berufs u. a. nach den Geboten der ärztlichen Ethik. Die ärztliche Ethik umfasse die durch den Ärztestand anerkannten, den einzelnen Standesgenossen bindenden Grundregeln des Berufs. Diesen Grundregeln sei ein allgemeines Verbot des ärztlich assistierten Suizids zu entnehmen. Hiergegen verstoße die Überlassung todbringender Medikamente an sterbewillige Personen.

Aussprechen eines unein­ge­schränkten Verbots des ärztlich assistierten Suizids hier unzulässig

Gemessen am verfas­sungs­recht­lichen Maßstab der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) und der Gewis­sens­freiheit des Arztes (Art. 2 Abs. 1 GG) habe aber kein unein­ge­schränktes Verbot des ärztlich assistierten Suizids ausgesprochen werden dürfen. Mit den genannten Grundrechten unvereinbar sei es nämlich, die ärztliche Beilhilfe zum Suizid auch in Ausnahmefällen unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten, in denen ein Arzt aufgrund einer lang andauernden, engen persönlichen Beziehung in einen Gewis­sen­konflikt geraten würde, weil die Person, die freive­r­ant­wortlich die Selbsttötung wünsche, unerträglich und irreversibel an einer Krankheit leide und alternative Mittel der Leidens­be­grenzung nicht ausreichend zur Verfügung stünden. Der Kläger habe dargelegt, dass ein solcher Ausnahmefall für ihn außerhalb seiner Tätigkeit für den Sterbe­hil­fe­verein keine bloß theoretische Möglichkeit darstelle.

Verbot beruflicher oder organisierter Sterbehilfe zulässig

Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass ein Verbot der Überlassung todbringender Medikamente an Sterbewillige verfas­sungs­rechtlich unbedenklich sei, soweit diese Gesunden oder in ihrer Entschei­dungs­fä­higkeit beein­träch­tigten psychisch Kranken überlassen werden sollen. Ohne weiteres zulässig sei auch ein Verbot beruflicher oder organisierter Sterbehilfe, wie sie der Verein Dignitas anbiete.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin/ra-online

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