Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hatte darüber zu entscheiden, ob Gerichte - wie dies in § 1904 BGB ausdrücklich für schwerwiegende ärztliche Maßnahmen vorgesehen ist - auch dann eine Genehmigung erteilen dürfen, wenn es nicht um einen Heileingriff geht, sondern um die Beendigung der Sondenernährung und damit um "Hilfe zum Sterben".
Eine 85-jährliche Patientin befindet sich nach einem ausgedehnten Hirninfarkt bei anhaltender Bewußtlosigkeit (Koma) mit vollständigem Verlust der Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit seit Ende 1997 in einem Frankfurter Krankenhaus und wird dort über eine Magensonde ernährt. Eine Besserung des Zustandes ist nicht zu erwarten. Zu einer eigenen freien Willensbestimmung ist sie nicht in der Lage.
Die Tochter der Patientin, die durch das Vormundschaftsgericht zur Betreuerin bestellt worden ist, beantragte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu einem Behandlungsabbruch durch Einstellung der Sondenernährung und wies unter Vorlage mehrerer eidesstattlicher Versicherungen darauf hin, die Mutter habe früher geäußert, kein langes Sterben ertragen zu wollen.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Frankfurt hatten es abgelehnt, die Genehmigung für den ärztlicherseits empfohlenen Abbruch der Sondenernährung zu erteilen, weil § 1904 BGB nicht analog auf eine gezielte Herbeiführen des Todes angewendet werden könne. Dies habe der Gesetzgeber zu regeln.
Die Richter des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main änderten die Entscheidungen der Vorinstanzen ab und vertraten die Auffassung, es liege eine Gesetzeslücke vor. Der Gesetzgeber habe das Betreuungsrecht unter Wahrung der größtmöglichen Autonomie der Betroffenen regeln wollen. Eine Analogie sei möglich, zumal der geregelte Tatbestand der Risikooperationen und der nicht geregelte Tatbestand eines Behandlungsabbruches bei wertendem Denken nicht absolut ungleich seien. Wenn schon eine Risikooperation vorher genehmigt werden müsse, bedürfe ein Behandlungsabbruch erst recht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Hinter der Ansicht, daß in der Rechtsordnung ein Richter über Leben und Tod« nicht vorgesehen sei und sich dies aus rechtsethischen und -historischen Gründen verbiete, sei der Gedanke an das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten verborgen, das das Ziel der Vernichtung "lebensunwerten" Lebens gehabt habe. Demgegenüber stehe hier aber ein vom tatsächlich geäußerten oder wenigsten mutmaßlichen Willen des Betroffenen getragener Behandlungsabbruch. Die richterliche Genehmigung solle gerade einem Mißbrauch entgegenwirken.
Es gehe bei der Entscheidung nicht um lediglich passive Sterbehilfe, sondern um den Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme und damit um "Hilfe zum Sterben". Dabei sei das Selbstbestimmungsrecht des Patienten grundsätzlich anzuerkennen. An die Annahme eines erklärten oder mutmaßlichen Willen seien erhöhte Anforderungen zu stellen, weil der Gefahr entgegengewirkt werden müsse, daß Arzt, Angehörige oder der Betreuer nach eigenen Vorstellungen das für sinnlos gehaltene Leben des Betroffenen, beenden wollten. Es gelte, den Konflikt zwischen dem hohen Anspruch an die Achtung des Lebens und dem ebenfalls hohen Anspruch auf Achtung der Selbstbestimmung der Person und ihrer Würde zu lösen. Es komme daher entscheidend auf die Feststellung einer mutmaßlichen Einwilligung des Betroffenen an, an die strenge Anforderungen zu stellen seien. In diesem Zusammenhang dürfte Patiententestamtenten künftig ein Bedeutungszuwachs zukommen. Bei nicht aufklärbarer mutmaßlicher Einwilligung sei dem Lebensschutz der Vorrang einzuräumen.
Der Senat hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung des mutmaßlichen Willens der Patientin an das Amtsgericht zurück.
Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel mehr gegeben.