Dokument-Nr. 26380
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- NJW-RR 2017, 1059Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 1059
- r+s 2017, 211Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2017, Seite: 211
- Landgericht Deggendorf, Urteil11.10.2016, 31 O 266/16
- Fahrzeugschaden nach verbotswidrigem Überholen bei unklarer Verkehrslage muss größtenteils selbst getragen werdenOberlandesgericht Hamm, Urteil09.07.2013, 9 U 191/12
- Hälftige Haftungsverteilung wegen Kollision zwischen einbiegendem Fahrzeug und auf vorfahrtsberechtigter Straße verkehrswidrig überholendem FahrzeugOberlandesgericht München, Urteil15.03.2019, 10 U 2655/18
- Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässigOberlandesgericht Celle, Urteil08.06.2022, 14 U 118/21
Oberlandesgericht München Urteil24.02.2017
Überholen einer Fahrzeugkolonne grundsätzlich nicht unzulässigUnklare Verkehrslage beim Überholen einer Kolonne nur bei Vorliegen besonderer Umstände
Es ist grundsätzlich erlaubt, eine Fahrzeugkolonne zu überholen. Eine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist beim Überholen einer Kolonne nur bei Vorliegen besonderer Umstände anzunehmen. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Zusammenhang mit dem Überholen einer Fahrzeugkolonne bestehend aus mehreren Pkw zu einem Verkehrsunfall auf einer Bundesstraße. Das vorderste Fahrzeug der Kolonne fuhr mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h bei erlaubter Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Ein in der Kolonne befindlicher Fahrer eines BMW 745i entschied sich bei klarer Sicht nach vorne und keinem Gegenverkehr die Fahrzeugkolonne zu überholen. Dies bemerkte eine weiter vorne in der Kolonne befindliche Pkw-Fahrerin. Um noch vor dem BMW-Fahrer die Kolonne überholen zu können, scherte sie ebenfalls nach links aus. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem BMW. Dessen Fahrer klagte anschließend gegen die PKW-Fahrerin auf Zahlung von Schadensersatz.
Landgericht gab Klage unter Beachtung einer Haftungsverteilung statt
Das Landgericht Deggendorf gab der Klage statt. Es nahm aber eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zu Lasten der Beklagten vor. Beiden Fahrzeugführern sei ein Verschulen an dem Unfall anzulasten. Das Mitverschulden des Klägers liege darin, dass er trotz unklarer Verkehrslage zum Überholen angesetzt habe. Es habe überaus nahegelegen, dass auch weitere in der Kolonne fahrende Fahrzeugführer zum Überholen ansetzen würden, so das Gericht. Der Kläger ging von einem Alleinverschulden der Beklagten aus und legte Berufung ein.
Oberlandesgericht bejaht Mithaftung des Klägers in Höhe von 20 %
Das Oberlandesgericht München entschied zum Teil zu Gunsten des Klägers und hob dementsprechend die Entscheidung des Landgerichts auf. Zwar habe die Beklagte schuldhaft den Unfall verursacht. Sie habe gegen das Gebot, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, verstoßen (§ 5 Abs. 4 StVO). Jedoch sei dem Kläger eine Mithaftung von 20 % anzulasten.
Kein Überholverbot aufgrund unklarer Verkehrslage
Ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall habe sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht daraus ergeben, dass er trotz unklarer Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO zum Überholen angesetzt habe. Denn eine solche habe nicht vorgelegen. Das Überholen einer Fahrzeugkolonne sei grundsätzlich nicht unzulässig. Für die Annahme einer unklaren Verkehrslage müssen weitere Umstände hinzukommen. Dies sei etwa zu bejahen, wenn die Kolonne nur mit 25 km/h fährt und ein Überholen zuvor durch eine durchgezogene gerade Linie auf der Fahrbahnmitte untersagt war oder wenn die zu überholenden Fahrzeuge langsamer werden und mehrere Fahrzeuge nach links blinken. Solche Umstände haben hier hingegen nicht vorgelegen.
Keine unklare Verkehrslage aufgrund dichten Auffahrens in Kolonne
Eine unklare Verkehrslage sei nicht darin zu sehen, so das Oberlandesgericht, dass die Fahrzeuge innerhalb der Kolonne dicht auffahren. Denn es ist dem Begriff der Kolonne immanent, dass die Fahrzeuge hintereinander dicht aufgeschlossen fahren.
Mithaftung von 20 % aufgrund Betriebsgefahr
Die Mithaftung in Höhe von 20 % ergebe sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts aus der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs. Das Verschulden der Beklagten sei nicht derart hoch, dass dahinter die Betriebsgefahr zurücktrete.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.08.2018
Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)
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