21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil22.11.2011

Ankündigung von Preiserhöhungen für Strom- und Gas-Grundversorgung per E-Mail unwirksamOLG Hamm kippt vage Strom- und Gaspreis­klauseln

Vertrags­klauseln von Energie­ver­sorgern, die nicht einmal die vom Bundes­ge­richtshof festgelegten Minde­st­an­for­de­rungen an die ohnehin vagen Preis­an­pas­sungs­regeln der Strom- und Gas-Grund­ver­sor­gungs­ver­ordnung (Strom- bzw. Gas-GVV) erfüllen, sind unwirksam: Strom- und Gaspreis­er­hö­hungen, die den Kunden nur per "individueller Bekanntgabe" angekündigt werden, genügen damit nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm.

Der Bundes­ge­richtshof hatte in seinen in Urteilen vom 15. Juli 2009 und vom 14. Juli 2010 festgestellt, dass Energie­ver­sorger gegenüber ihren Strom- und Gassonderkunden Preise erhöhen dürfen, sofern sie die Preis­an­pas­sungs­re­ge­lungen der Strom- bzw. Gasgrund­ver­sor­gungs­ver­ordnung (GasGVV) unverändert in die Sonderverträge übernehmen. Bei Stichproben des Kleingedruckten ausgewählter Versorger hatte die Verbrau­cher­zentrale Nordrhein-Westfalen entdeckt, dass einige darin nicht einmal diese Mindest­vor­aus­set­zungen erfüllten, sondern sogar die ohnehin nichts sagenden und völlig vagen Minde­st­re­ge­lungen der Verordnung noch übertrumpften. So wurden Änderungen der Preise erst nach individueller Bekanntgabe wirksam, obwohl eine öffentliche Bekanntgabe mit sechswöchiger Ankün­di­gungsfrist vorgesehen ist. Oder es wurde die Information über Preisänderungen nur per E-Mail als ausreichend erachtet, obwohl die Gasgrund­ver­sor­gungs­ver­ordnung (GasGVV) eine briefliche Information vorschreibt.

E-Mail mit Hinweis auf Preiserhöhung als gesetzlich vorgeschriebene briefliche Information nicht ausreichend

Auf Klage der Verbrau­cher­zentrale Nordrhein-Westfalen gegen die Energiehoch3 GmbH hatte das Landgericht Dortmund in seinem Urteil vom 14. Januar 2011 (AZ: 25 O 247/11) eine an die GVV (Paragraph 5 Absatz 2) angelehnte Preis­än­de­rungs­klausel in den Strom- und Gaslie­fe­rungs­ver­trägen des Versorgers als unwirksam angesehen. Die Argumentation des Anbieters, dass er seine Kunden lediglich per E-Mail über Preisänderungen informieren müsse, weil dies der gesetzlich vorge­schriebenen brieflichen Information gleich stehe, kassierten die Richter ein. Weil Kunden eine E-Mail leichter als einen Brief übersehen könnten, sei die elektronische Nachricht über die Preiserhöhung nicht als gleichwertig anzusehen.

Vertragklausel wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam

Weil die Klausel zudem auf die öffentliche Bekanntgabe sowie auf die sechswöchige Ankün­di­gungsfrist für Preiserhöhungen verzichte, weiche sie von der gesetzlichen Regelung ab. Darin sah das Gericht eine unangemessene Benachteiligung der Kunden und erklärte die Geschäfts­be­dingung für unwirksam.

Gericht hält briefliche Mitteilung an den Kunden für erforderlich

In der Berufungs­ver­handlung bestätigte das Oberlan­des­gericht Hamm nun die Entscheidungen der Vorinstanz: Die Richter erklärten, dass eine "individuelle Bekanntgabe" der Preisänderung zu unbestimmt sei, da offen bliebe, ob die Mitteilung per Brief, per E-Mail oder gar per Telefonanruf erfolgen solle. Wie das Unternehmen eine solche, unwirksame Klausel handhabe, sei für deren Beurteilung nicht relevant. In der mündlichen Verhandlung deuteten die Richter jedoch an, dass ihrer Ansicht nach eine briefliche Mitteilung an den Kunden erforderlich sei.

Energie­un­ter­nehmen müssen unzulässige Preis­än­de­rungs­klauseln ändern

Eine Revision wurde vom Oberlan­des­gericht nicht zugelassen; damit sind die Entscheidungen praktisch rechtskräftig. Ein Richterspruch mit Folgen: Alle Energie­un­ter­nehmen, die im Internet Strom- und Gaslie­fer­verträge feilbieten und darin von der Grund­ver­sor­gungs­ver­ordnung abweichen, müssen sich – sofern sie nicht ebenfalls eine Abmahnung riskieren wollen – nun von ihren unzulässigen Preis­än­de­rungs­klauseln verabschieden.

Kunden können Geld aus Preiserhöhung teilweise zurückverlangen

Außerdem können sich Energiehoch3- und Gelsenwasser-Kunden sowie Kunden anderer Versorger zumindest im Bezirk des Oberlan­des­ge­richts Hamm, die Widerspruch gegen Jahres­rech­nungen eingelegt haben, auf die Urteile berufen und Geld aus Preiserhöhungen zurückverlangen.

Quelle: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen/ra-online

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