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- Landgericht Kassel, Urteil24.02.2012, 4 O 2044/10
- Grundgesetz gewährleistet Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen NachlassBundesverfassungsgericht, Beschluss19.04.2005, 1 BvR 1644/04 und 1 BvR 188/03
- Gründe für eine Enterbung müssen nachvollziehbar niedergeschrieben werdenOberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil04.05.2005, 4 U 208/04
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil29.10.2013
Pflegebedürftiger Erblasser: Verweigerung der Pflege rechtfertigt keine PflichtteilsentziehungEntziehung des Pflichtteils nur aus den Gründen des § 2333 BGB
Der im Erbfall bestehende Anspruch der Kinder auf einen Pflichtteil kann nur unter den Voraussetzungen des § 2333 BGB ausgeschlossen werden. Ein Grund für die Entziehung des Pflichtteils liegt nicht vor, wenn das Kind die Pflege des pflegebedürftigen Elternteils verweigert. Dies geht aus einer Entscheidung das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall bestand Streit darüber, ob die Tochter des Erblassers einen Anspruch auf einen Pflichtteil hatte. Der Erblasser war seit einem Unfall pflegebedürftig gewesen. Da seine Tochter die Pflege nicht übernahm, wurde sie durch ein Testament enterbt. Im Gegenzug wurde die Frau, die die Betreuung und Pflege übernahm als Alleinerbin eingesetzt. Diese vertrat daher die Ansicht, dass die Tochter des Erblassers keinen Anspruch auf ein Pflichtteil habe. Nachdem das Landgericht Kassel dieser Ansicht nicht folgte und eine wirksame Pflichtteilsentziehung verneinte, musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. mit dem Fall beschäftigen.
Anspruch auf Pflichtteil bestand
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. schloss sich der Entscheidung des Landgerichts an und bejahte daher den Anspruch der Tochter des Erblassers auf ein Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 BGB. Dieser Pflichtteil könne zwar entzogen werden, aber nur unter den Voraussetzungen des § 2333 BGB. Es sei in diesem Zusammenhang aber zu berücksichtigen, dass nicht jedes Fehlverhalten des Kindes, welches zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt, eine Pflichtteilsentziehung rechtfertigt. Andernfalls würde das Pflichtteilsrecht der Kinder ins Leere laufen und jede praktische Bedeutung verlieren.
Kein wirksamer Pflichtteilsentzug
Davon ausgehend entschied das Oberlandesgericht, dass ein wirksamer Pflichtteilsentzug nicht vorlag. Insbesondere habe die Verweigerung der Pflege durch die Tochter des Erblassers die Pflichtteilsentziehung nicht gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. des Beginns der Pflegebedürftigkeit 16-jährige Tochter zum Unterhalt verpflichtet war. Zudem sei der Unterhalt stets in Geld zu leisten. Daher könne die Verweigerung der Pflege keine Pflichtteilsentziehung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht rechtfertigen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.03.2014
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)
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