18.10.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil25.11.2014

Krankenkassen dürfen keine Individual­rabatt­verträge auch für in China hergestellten Zahnersatz abschließenGesetz räumt keine Möglichkeit für Abschluss von Rabattverträgen ein

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass eine Krankenkasse nicht berechtigt ist, mit einem Dentallabor einen Individual­rabatt­vertrag für dental­tech­nische - auch (teilweise) im Ausland hergestellte - Leistungen abzuschließen.

Dem lag der Fall eines Dentallabors zugrunde, das mit einer Krankenkasse (Beklagte) für deren Versicherte neben dem mit der zuständigen Zahntech­ni­ke­rinnung (Klägerin zu 1.) abgeschlossenen Kollek­tiv­vertrag für dental­tech­nische Leistungen einen Indivi­du­a­l­vertrag abschloss. Aufgrund dieses Indivi­du­a­l­ra­batt­ver­trages gewährt das Dentallabor den Versicherten der Beklagten einen Rabatt von mindestens 20 % auf die mit der Zahntech­ni­ke­rinnung abgeschlossenen Vereinbarungen über Zahnersatz. Für im Ausland hergestellten Zahnersatz, dessen Preise durch­schnittlich 40 bis 60 % unterhalb der in Niedersachsen geltenden Netto-Höchstpreise liegen, wurden weitere 5 % Nachlass vereinbart. Die Beklagte betrieb über die bestehenden Rabatt­mög­lich­keiten Werbemaßnahmen, wie z.B. durch Werbebroschüren, Presse­mit­teilung bzw. einen Bericht in einer Zeitschrift, in denen die Namen der Dentallabore und die Höhe der verschiedenen Rabatte genannt wurden.

Gesetzgeber hat sich bewusst gegen Möglichkeit zum Abschluss von Indivi­du­a­l­ra­batt­ver­trägen entschieden

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat die Entscheidung des Sozialgerichts Hannover bestätigt und festgestellt, dass die beklagte Krankenkasse nicht berechtigt ist, mit dem beigeladenen Dentallabor einen Rabattvertrag abzuschließen, da es keine ausdrückliche gesetzliche Ermäch­ti­gungs­grundlage gibt. Auch wenn Krankenkassen das Wirtschaft­lich­keitsgebot nach den §§ 2 Abs. 4 und 12 Abs. 1 SGB V als zentral zugewiesene gesetzliche Aufgabe beachten und wahrnehmen müssen, so sind sie doch zugleich verpflichtet, ausschließlich in dem ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich zu handeln und diesen nicht auszuweiten. § 88 Abs. 2 SGB V regelt lediglich eine Infor­ma­ti­o­ns­pflicht der Krankenkasse, ihre Versicherten und die Zahnärzte zuvor über bestehende preisgünstige Versor­gungs­mög­lich­keiten zu informieren. Aus dieser Vorschrift ergibt sich dagegen keine Möglichkeit, Rabattverträge mit einzelnen Dentallaboren abzuschließen. Im Gesetz­be­bungs­ver­fahren für diese Vorschrift wurde zwar auch die konkrete Möglichkeit zum Abschluss von Indivi­du­a­l­ra­batt­ver­ein­ba­rungen diskutiert. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Abwägung vorgenommen, sich bewusst gegen diese Möglichkeit ausgesprochen und damit eine klare Rechtslage geschaffen.

Abschluss von Indivi­du­a­l­ra­batt­ver­ein­ba­rungen verletzt Wettbe­wer­bs­freiheit

Da im SGB V für eine Vielzahl von Leistungs­be­reichen Einzelverträge möglich sind, z.B. für Heilmittel (§ 125 Abs. 2 SGB V), für Hilfsmittel (§ 127 Abs. 1 SGB V), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 132 a Abs. 2 SGB V) und für Arzneimittel (§ 130 a Abs. 8 SGB V), dürfen - so der Senat - in den Bereichen, in denen Einzelverträge nicht ausdrücklich vorgesehen sind, diese nicht abgeschlossen werden, wenn sie Rechte Dritter betreffen. Durch den Abschluss der Indivi­du­a­l­ra­batt­ver­ein­barung zwischen der beklagten Krankenkasse und dem beigeladenen Dentallabor sind die Kläger zu 1. und 2. als Dentallabor und deren Betreiber in ihrer Wettbe­wer­bs­freiheit verletzt.

§ 88 Bundes­leis­tungs­ver­zeichnis, Vergütungen SGB V idF vom26.03.2007- zitiert nach juris

Erläuterungen
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit dem Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen ein bundes­ein­heit­liches Verzeichnis der abrech­nungs­fähigen zahntechnischen Leistungen.

Das bundes­ein­heitliche Verzeichnis ist im Benehmen mit der Kassen­zahn­ärzt­lichen Bundes­ver­ei­nigung zu vereinbaren.

(2) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen vereinbaren mit den Innungs­ver­bänden der Zahntechniker die Vergütungen für die nach dem bundes­ein­heit­lichen Verzeichnis abrech­nungs­fähigen zahntechnischen Leistungen, ohne die zahntechnischen Leistungen beim Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Supra­kon­struk­tionen.

Die vereinbarten Vergütungen sind Höchstpreise.

Die Krankenkassen können die Versicherten sowie die Zahnärzte über preisgünstige Versor­gungs­mög­lich­keiten informieren.

(3) Preise für zahntechnische Leistungen nach Absatz 1 ohne die zahntechnischen Leistungen beim Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Supra­kon­struk­tionen, die von einem Zahnarzt erbracht werden, haben die Preise nach Absatz 2 Satz 1 und 2 um mindestens 5 vom Hundert zu unterschreiten.

Hierzu können Verträge nach § 83 abgeschlossen werden.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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