18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss27.10.2011

Gericht darf Asylbewerbern auch bei Zweifeln an der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Regelsätze nicht eigenmächtig höhere Leistungen zusprechenAuch mögliche Verfas­sungs­wid­rigkeit im Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz rechtfertigt gerichtlich erlassene einstweilige Anordnung nicht

Asylbewerbern, die Leistungen nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz (AsylbLG) erhalten, kann auch bei Zweifeln an der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der den Leistungen zugrunde liegenden Normen im Eilverfahren keine höhere Leistung zugesprochen werden. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

In dem zugrunde liegenden Eilverfahren hatte das erstinstanzlich angerufene Sozialgericht Mannheim den Antragstellern, afghanischen Asylbewerbern, darlehensweise Leistungen in Höhe der Regelsätze nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (so genanntes „Hartz IV“) bzw. in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe (Sozial­ge­setzbuch Zwölftes Buch) zugesprochen und damit höhere Leistungen, als das AsylbLG für diesen Personenkreis vorsieht. Gestützt hatte das Sozialgericht seine Entscheidung auf verfas­sungs­rechtliche Erwägungen, nämlich auf das aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem in Artikel 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozial­staats­prinzip abgeleiteten Grundrecht auf ein menschen­würdiges Existenzminimum. Damit stehe § 3 Abs. 2 AsylbLG nicht in Einklang.

Gericht darf auch bei Zweifeln an Verfas­sungs­mä­ßigkeit von zugrunde liegenden Normen nicht eigenmächtig höhere Leistungen bewilligen

Dem ist das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg entgegen getreten. Auch eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 AsylbLG rechtfertige die erlassene einstweilige Anordnung nicht. Denn den Gerichten sei es nicht gestattet, den zuständigen Träger allein auf Grundlage des Verfas­sungs­rechts zu Leistungen zu verurteilen. Die Konkretisierung des Grundrechts auf ein menschen­würdiges Existenzminimum sei allein dem parla­men­ta­rischen Gesetzgeber vorbehalten. Er müsse entscheiden, wie er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienst­leis­tungen sichere. Entsprechendes gelte auch für Art. 27 UN-Kinder­rechts­kon­vention. Auch diese bilde keine Anspruchs­grundlage.

LSG sieht von Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ab

Wegen der im Eilverfahren nur möglichen vorläufigen Klärung der Rechtsfrage und aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen zeitnahen Entscheidung hat das Gericht von einer Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht abgesehen.

Asylbewerberleistungsgesetz

Erläuterungen

§ 3 Grundleistungen

(2) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnah­me­ein­rich­tungen im Sinne des § 44 des Asylver­fah­rens­ge­setzes können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach Absatz 1 Satz 1 Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden. Der Wert beträgt

1. für den Haushalts­vorstand 360 Deutsche Mark,

2. für Haushalts­an­ge­hörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres 220 Deutsche Mark,

3. für Haushalts­an­ge­hörige von Beginn des 8. Lebensjahres an 310 Deutsche Mark monatlich zuzüglich der notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat. Absatz 1 Satz 3 und 4 findet Anwendung.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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