21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil09.11.2017

Beschä­dig­tenrente für Opfer von Gewalt: Bereits vor Gewalttat vorhandene Gesundheits­störungen können nicht berücksichtigt werdenKeine Beschä­dig­tenrente für Opfer einer Gewalttat bei vorbestehenden Gesundheits­störungen

Um als Opfer einer Gewalttat eine Beschä­dig­tenrente zu erhalten, ist ein bestimmter Grad der Schädigung erforderlich. Dabei können diejenigen Gesundheits­störungen nicht miteingerechnet werden, die bereits vor der Gewalttat bestanden haben und daher nicht durch die Tat verursacht sein können. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der zum Tatzeitpunkt 52-jährige Kläger wurde am Silvesterabend 2010 von zwei russisch­stämmigen Tätern bei Verlassen einer Gaststätte überfallen und ausgeraubt. Er erlitt u.a. Blutergüsse, eine Unter­schen­kel­fraktur und Verletzungen im rechten Kniegelenk; später entwickelte sich eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­re­aktion mit Auslösung einer depressiven Phase. Die Täter wurden wegen Raubes und gefährlicher Körper­ver­letzung zu Haftstrafen verurteilt.

Kläger litt bereits seit Jahren an Depressionen

Da der Kläger bereits seit dem Jahr 2000 an Depressionen litt, waren eingehende Ermittlungen erforderlich, um diejenigen Folgen zu klären, die durch die Gewalttat verursacht wurden. Das zuständige Versorgungsamt anerkannte nach Einholung eines psychiatrischen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens zwar an, dass der Kläger Opfer einer Gewalttat geworden sei, lehnte aber die Gewährung einer Beschä­dig­tenrente ab, da die durch die Tat verursachten psychischen Gesund­heits­s­tö­rungen keinen für eine Rente ausreichenden Grad der Schädigung ergaben. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.

Bereits vor dem Unfall bestehende Gesund­heits­s­tö­rungen können nicht zum Grad der Schädigung hinzugerechnet werden

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab dem Landes­ver­sor­gungsamt Recht. Im Gerichts­ver­fahren wurden die behandelnden Ärzte des Klägers befragt und es wurde ein weiteres nerven­fach­ärzt­liches Gutachten eingeholt. Dabei ergab sich zweifelsfrei, dass die Straftat den Kläger nicht gesundheitlich unvorbelastet getroffen hat, sondern dass bereits zuvor eine langjährig chronifizierte depressive Störung vorgelegen hat. Zum Zeitpunkt der Gewalttat hätte nach Einschätzung des Sachver­ständigen bereits ein kleiner Anlass genügt, um die zuvor grenz­kom­pen­sierte Situation "zum Kippen" zu bringen. Die bereits vor dem Unfall bestehenden Gesund­heits­s­tö­rungen können nicht zum Grad der Schädigung hinzugerechnet werden, der für eine Rente wegen der Folgen der Gewalttat erforderlich wäre und vorliegend nicht erreicht wird.

Rechtsgrundlagen

§ 1 Absatz 1 Satz 1 Opferent­schä­di­gungs­gesetz:

Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes.

§ 9 Absatz 1 Nr. 3 Bundes­ver­sor­gungs­gesetz (BVG)

Die Versorgung umfasst

[...]

3. Beschä­dig­tenrente (§§ 29 bis 34) und Pflegezulage (§ 35),

§ 30 Absatz 1 Sätze 1-3 BVG

Der Grad der Schädi­gungs­folgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funkti­o­ns­be­ein­träch­ti­gungen, die durch die als Schädi­gungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesund­heits­s­tö­rungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädi­gungs­folgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädi­gungs­folgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesund­heits­s­tö­rungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.

§ 31 Absatz 1 BVG:

Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädi­gungs­folgen

von 30 in Höhe von 141 Euro,

von 40 in Höhe von 193 Euro,

von 50 in Höhe von 258 Euro,

von 60 in Höhe von 326 Euro,

von 70 in Höhe von 452 Euro,

von 80 in Höhe von 547 Euro,

von 90 in Höhe von 657 Euro,

von 100 in Höhe von 736 Euro.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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