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Landgericht Osnabrück Urteil05.05.2023
Mutter hat Anspruch auf Schmerzensgeld nach der Tötung ihres KindersPsychische Beeinträchtigung mit einem Krankheitswert begründet Anspruch auf Schmerzensgel
Das Landgericht Osnabrück hat einer Mutter nach dem Tod ihres Kindes Schmerzensgeld in Höhe von EUR 35.000,00 zugesprochen. Ferner wurde festgestellt, dass der Beklagte für sämtliche zukünftige materielle und derzeit noch nicht vorhersehbare immaterielle Schäden einzustehen hat, die der Klägerin wegen des Todes ihres Sohnes entstehen.
Der Beklagte hatte auf die beiden Kinder der Klägerin aufgepasst. Er schüttelte eines der Kinder in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2017 mehrfach. Das Kind verstarb ein paar Tage später im Krankenhaus an den Folgen eines Schütteltraumas mit erheblichen Gehirnverletzungen. Im April 2018 verurteilte das Landgericht Osnabrück den Beklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren. Im Zivilverfahren war nunmehr zu klären, ob der Klägerin ein Anspruch auf Schmerzensgeld zusteht.
LG: Psychische Beeinträchtigung mit einem Krankheitswert genügt
Das LG hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zugesprochen. Dabei ist es der geänderten Rechtsprechung des BGH gefolgt. Danach müsse die psychische Störung nur pathologisch fassbar sein. Sie müsse nicht mehr zusätzlich ein außergewöhnliches Ausmaß aufweisen Nach Überzeugung des LG besteht bei der Klägerin eine psychische Beeinträchtigung mit einem Krankheitswert. Das LG hat im Verfahren einen Sachverständigen hinzugezogen, der bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte. Der Klägerin wurde ferner ein Schmerzensgeld aus "übergegangenem" Recht ihres Kindes in Höhe von EUR 10.000,00 zugesprochen. Hierzu hat das LG darauf abgestellt, dass das Kleinkind erst nach der Aufnahme ins Krankenhaus ins Koma gefallen sei, mithin die Tat selbst und deren Folgen zumindest für kurze Zeit noch erlebt habe. Dem Kind habe daher ein Schmerzensgeldanspruch zugestanden, so das Landgericht, der auf die Klägerin im Wege der gesetzlichen Erbfolge übergegangen sei.
Kein Anspruch auf Hinterbliebenengeld
Nach Ansicht des LG hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei es wahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch blieben oder sich temporär verschlechtern könnten. In diesem Fall sei mit weiteren Schäden zu rechnen, für die der Beklagte einzustehen habe. Die LG hatte sich auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB zusteht. Der Bundesgerichtshof hat mit einer weiteren Entscheidung, ausgeführt, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld eigenständig sei und dem Zweck diene, den Hinterbliebenen für dessen immaterielle Beeinträchtigung "unterhalb der Schwelle der Gesundheitsverletzung" zu entschädigen. Das LG hat hierzu ausgeführt, dass dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld eine Art Auffangwirkung zukomme, sofern die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht pathologisch sei. Eine Addition der Ansprüche finde indes nicht statt. Da beide Ansprüche die gleiche Zielrichtung hätten, würde der Anspruch auf Hinterbliebenengeld in dem Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer psychischen Beeinträchtigung aufgehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.05.2023
Quelle: Landgericht Osnabrück, ra-online (pm/ab)
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