21.11.2024
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Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil11.08.2011

LG Nürnberg-Fürth: Familie hat nach SEK-Einsatz kein Anspruch auf SchadensersatzGericht verneint Amtspflicht­ver­let­zungen durch Polizei

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Anspruch auf Schmerzensgeld einer Familie, deren Wohnung überraschend durch das SEK gestürmt und durchsucht wurde und bei dem der Hund der Familie von einer Schrotkugel getroffen und verletzt wurde, verneint. Da die Polizeibeamten damit rechnen mussten, dass der Sohn - wie bereits zuvor - im Besitz einer Schusswaffe war, liegt eine Amtspflicht­ver­letzung als Voraussetzung für etwaige Schmer­zens­geldansprüche der Familie nicht vor.

Im zugrunde liegenden Fall drang eine SEK-Einheit im Oktober 2010 in den frühen Morgenstunden überraschend und ohne vorheriges Läuten in die Wohnung der Kläger ein und durchsuchte die Familie. Dabei wurde der Hund der Familie von der Kugel aus einer Schrotflinte getroffen. Die Kläger behaupteten, sie hätten infolge der Durchsuchung psychische Traumata mit Krankheitswert erlitten und sich deshalb in – bei einigen von ihnen noch andauernde – nervenärztliche Behandlung begeben müssen. Teilweise wurde vorgetragen, die Familie sei durch den Vorfall zerfallen. Der Sohn der Familie hatte angegeben, er sei über mehrere Monate völlig verstört gewesen, habe geweint, um den Hund getrauert und sei nachts immer wieder aufgeschreckt. Für das Vorgehen der Polizei habe kein Anlass bestanden. Deshalb sei Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro (Vater), 10.000 Euro (Mutter) und 4.000 Euro (Sohn) gerechtfertigt.

Beamten mussten damit rechnen, dass der Sohn wie bereits zuvor im Besitz einer Schusswaffe ist

Das Landgericht Nürnberg-Fürth verneinte diesen Anspruch und begründete seine Entscheidung damit, dass die Durchsuchung vom Oktober 2010 selbst und bei deren Durchführung der Einsatz einer Schrotflinte gegen den Hund der Familie sowohl rechtmäßig als auch verhältnismäßig gewesen sei. Aufgrund dreier bis ins Detail überein­stim­mender Zeugenaussagen sei der Sohn der Familie zureichend verdächtig gewesen, im Juni 2010 eine Schusswaffe mit sich geführt und damit andere Personen bedroht zu haben. Die Beamten hätten folglich damit rechnen müssen, dass der Sohn nach wie vor im Besitz dieser Schusswaffe ist. Zudem sei der Junge bereits zuvor mehrfach wegen Gewalt­tä­tig­keiten und Aggressionen gegen Polizisten aufgefallen. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung sei deshalb im Raum gestanden, dass der Sohn erstens aggressiv gegen andere Personen, auch Polizeibeamte, vorgeht und zweitens nicht zögert, eine möglicherweise scharfe Schusswaffe auf andere Menschen zu richten. Die Polizei habe daher von einer erheblichen Eigengefährdung ausgehen müssen und sei deshalb berechtigt gewesen, zum eigenen Personenschutz mit größtmöglicher Sicherheit vorzugehen. Das überraschende Eindringen in die Wohnung in den frühen Morgenstunden und ohne vorheriges Läuten sei veranlasst gewesen, um den Betroffenen keine Zeit für eine zu befürchtende Gegenwehr zu lassen.

Einsatz der Schrotflinte gegen den Hund war im Rahmen des pflichtgemäßen Ermes­sens­spielraums vertretbar

Über den Hund der Familie sei bekannt gewesen, dass es sich um ein mittelgroßes Tier handelte, das jedenfalls zu früherer Zeit beim Eintreffen eines Polizeibeamten habe weggesperrt werden müssen. Auch insoweit sei den Polizeibeamten aufgrund der akuten Gefährdungslage nicht zuzumuten gewesen, zunächst den Hund einzufangen und dabei gleichzeitig einen Angriff durch einen Täter mit scharfer Schusswaffe zu riskieren. Der Einsatz der Schrotflinte gegen den Hund sei daher noch im Rahmen des pflichtgemäßen Ermes­sens­spielraums vertretbar gewesen. Eine Amtspflicht­ver­letzung als Voraussetzung für etwaige Schmer­zens­geldansprüche der Familie liege daher nicht vor.

Möglicher Anspruch des Vaters auf Ersatz von Verdien­st­ausfall wegen arbeits­un­fähiger Erkrankung durch SEK-Einsatz muss gesondert geklärt werden

Eines der bei dem Landgericht anhängigen drei Verfahren ist durch die heutige Entscheidung noch nicht abgeschlossen: Zwar war dem Familienvater bereits im Termin vom 14. Juli 2011 durch Zwischen­ver­gleich der Parteien ein Betrag von 2000 Euro an materiellem Schadensersatz zugesprochen worden. Er behauptet aber, darüber hinaus seit dem Vorfall arbeitsunfähig erkrankt zu sein und begehrt Ersatz von Verdienstausfall. Hinsichtlich dieses Streitpunkts ist die Sache noch nicht entschei­dungsreif. Insoweit wird durch das Gericht zu klären sein, ob der Vater durch die polizeiliche Maßnahme selbst verletzt wurde, diese Verletzung zu der von ihm behaupteten Arbeits­un­fä­higkeit geführt hat und letztlich ein Verdien­st­ausfall aus einer behaupteten Tätigkeit als Handels­ver­treter entstanden ist.

Quelle: Landgericht Nürnberg-Fürth/ra-online

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