18.10.2024
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Landgericht München I Urteil20.01.2011

Squeeze-out: Beschluss der Hypo Real Estate Holding AG zu Barabfindungen rechtmäßigRegelungen zu Squeeze-out gemäß § 12 Abs. 4 des Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungs­be­schleu­ni­gungs­ge­setzes (FMStBG) verstoßen nicht gegen Vorgaben des Grundgesetzes

Das Landgericht München I hat die Anfech­tungs­klagen von insgesamt 38 ehemaligen Aktionären der Hypo Real Estate Holding AG (HRE) abgewiesen, mit denen diese sich gegen einen Beschluss der außer­or­dent­lichen Haupt­ver­sammlung der Gesellschaft wandten. Dieser verfügte, dass die Aktien gegen eine Barabfindung in Höhe von 1,30 Euro auf den Bund als Hauptaktionär übertragen wurden.

Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte der Gesetzgeber für Unternehmen des Finanzsektors die Möglichkeit geschaffen, einen Squeeze out – also die Übertragung der Aktien von Minder­heits­ak­ti­onären auf den Hauptaktionär gegen eine Barabfindung – durchzuführen, wenn dem Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds SoFFin bereits 90 % und nicht erst 95 % der Aktien gehören. Mittels einer auf der Hauptversammlung vom 2. Juni 2009 beschlossenen Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der anderen Aktionäre erreichte der SoFFin genau diesen Aktienanteil von 90 %. Auch gegen diesen Beschluss haben Aktionäre geklagt. Das Verfahren über diese Anfech­tungs­klagen hatte das Landgericht München I mit Beschluss vom 8. April 2010 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Die nunmehr entschiedenen Klagen richteten sich gegen den Squeeze-out-Beschluss vom 5. Oktober 2009.

Beschluss der Haupt­ver­sammlung steht mit Grundgesetz, mit Vorgaben des EG-Vertrages und mit Aktienrechts in Einklang

In ihrer 115 Seiten langen Entscheidung über den Squeeze out kam die auf aktien­rechtliche Fragen spezialisierte 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I zu dem Ergebnis, dass der Beschluss der Haupt­ver­sammlung vom 5. Oktober 2009 mit dem Grundgesetz, den Vorgaben des EG-Vertrages wie auch des Aktienrechts in Einklang steht. Die Regelungen über die Ermöglichung eines Squeeze out in § 12 Abs. 4 des Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungs­be­schleu­ni­gungs­ge­setzes (FMStBG) verstoßen danach nicht gegen Vorgaben des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung des Eigentums, die als verhältnismäßig anzusehen ist. „Der Gesetzgeber reagierte auf die Auswirkungen der weltweiten Finanz­ma­rktkrise und ihrer Ausweitung zu einer akuten Krise des Finanzsystems mit einer Reihe von Maßnahmen, die das Vertrauen in den Finanzmarkt wieder herstellen und eine weitere Zuspitzung der Finanz­ma­rktkrise verhindern sollten“ – so das Urteil wörtlich. Auch hält die Kammer den Squeeze out für erforderlich, weil es Maßnahmen geben kann, die eines sehr rasch umsetzbaren Beschlusses einer Haupt­ver­sammlung bedürfen, bei denen es durch die Erhebung von Anfech­tungs­klagen zu Zeitver­zö­ge­rungen kommen kann. Die erforderliche Trans­ak­ti­o­ns­si­cherheit kann nur durch die Allein­ei­gen­tü­mer­stellung des durch den SoFFin handelnden Bundes erreicht werden.

Keine verbotene staatliche Beihilfe an die Hypo Real Estate Holding AG

Das Landgericht München I sah auch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Kapita­l­ver­kehrs­freiheit, wie sie im EG-Vertrag normiert sind, weil diese Maßnahme aus zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt ist. Ebenso wenig sah das Gericht in dem Beschluss eine vom EG-Vertrag verbotene staatliche Beihilfe an die Hypo Real Estate Holding AG, weil staatliche Mittel nicht unmittelbar oder mittelbar auf das Unternehmen übertragen werden, sondern an die bisherigen Minder­heits­ak­tionäre.

Eingehend beschäftigte sich die Kammer auch mit der Frage, ob ein Antrag von einzelnen Aktionären in der Haupt­ver­sammlung zur Abstimmung hätte gestellt werden müssen. Dieser sah vor, dass unter bestimmten Bedingungen die Aktionäre im Falle der Repri­va­ti­sierung – spätestens aber bis zum 30. Juni 2019 – ihre durch den Übertra­gungs­be­schluss entzogenen Aktien zurück erwerben können. Allerdings sah das Landgericht München I für diesen Antrag nach den Vorgaben des FMStBG und der Zustän­dig­keits­ver­teilung innerhalb einer Aktien­ge­sell­schaft keine Kompetenz der Haupt­ver­sammlung, so dass darüber auch nicht abgestimmt werden musste.

Quelle: Landgericht München I/ra-online

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