Landgericht München I Urteil20.01.2011
Squeeze-out: Beschluss der Hypo Real Estate Holding AG zu Barabfindungen rechtmäßigRegelungen zu Squeeze-out gemäß § 12 Abs. 4 des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) verstoßen nicht gegen Vorgaben des Grundgesetzes
Das Landgericht München I hat die Anfechtungsklagen von insgesamt 38 ehemaligen Aktionären der Hypo Real Estate Holding AG (HRE) abgewiesen, mit denen diese sich gegen einen Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft wandten. Dieser verfügte, dass die Aktien gegen eine Barabfindung in Höhe von 1,30 Euro auf den Bund als Hauptaktionär übertragen wurden.
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte der Gesetzgeber für Unternehmen des Finanzsektors die Möglichkeit geschaffen, einen Squeeze out – also die Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären auf den Hauptaktionär gegen eine Barabfindung – durchzuführen, wenn dem Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin bereits 90 % und nicht erst 95 % der Aktien gehören. Mittels einer auf der Hauptversammlung vom 2. Juni 2009 beschlossenen Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der anderen Aktionäre erreichte der SoFFin genau diesen Aktienanteil von 90 %. Auch gegen diesen Beschluss haben Aktionäre geklagt. Das Verfahren über diese Anfechtungsklagen hatte das Landgericht München I mit Beschluss vom 8. April 2010 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Die nunmehr entschiedenen Klagen richteten sich gegen den Squeeze-out-Beschluss vom 5. Oktober 2009.
Beschluss der Hauptversammlung steht mit Grundgesetz, mit Vorgaben des EG-Vertrages und mit Aktienrechts in Einklang
In ihrer 115 Seiten langen Entscheidung über den Squeeze out kam die auf aktienrechtliche Fragen spezialisierte 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I zu dem Ergebnis, dass der Beschluss der Hauptversammlung vom 5. Oktober 2009 mit dem Grundgesetz, den Vorgaben des EG-Vertrages wie auch des Aktienrechts in Einklang steht. Die Regelungen über die Ermöglichung eines Squeeze out in § 12 Abs. 4 des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) verstoßen danach nicht gegen Vorgaben des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die als verhältnismäßig anzusehen ist. „Der Gesetzgeber reagierte auf die Auswirkungen der weltweiten Finanzmarktkrise und ihrer Ausweitung zu einer akuten Krise des Finanzsystems mit einer Reihe von Maßnahmen, die das Vertrauen in den Finanzmarkt wieder herstellen und eine weitere Zuspitzung der Finanzmarktkrise verhindern sollten“ – so das Urteil wörtlich. Auch hält die Kammer den Squeeze out für erforderlich, weil es Maßnahmen geben kann, die eines sehr rasch umsetzbaren Beschlusses einer Hauptversammlung bedürfen, bei denen es durch die Erhebung von Anfechtungsklagen zu Zeitverzögerungen kommen kann. Die erforderliche Transaktionssicherheit kann nur durch die Alleineigentümerstellung des durch den SoFFin handelnden Bundes erreicht werden.
Keine verbotene staatliche Beihilfe an die Hypo Real Estate Holding AG
Das Landgericht München I sah auch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Kapitalverkehrsfreiheit, wie sie im EG-Vertrag normiert sind, weil diese Maßnahme aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Ebenso wenig sah das Gericht in dem Beschluss eine vom EG-Vertrag verbotene staatliche Beihilfe an die Hypo Real Estate Holding AG, weil staatliche Mittel nicht unmittelbar oder mittelbar auf das Unternehmen übertragen werden, sondern an die bisherigen Minderheitsaktionäre.
Eingehend beschäftigte sich die Kammer auch mit der Frage, ob ein Antrag von einzelnen Aktionären in der Hauptversammlung zur Abstimmung hätte gestellt werden müssen. Dieser sah vor, dass unter bestimmten Bedingungen die Aktionäre im Falle der Reprivatisierung – spätestens aber bis zum 30. Juni 2019 – ihre durch den Übertragungsbeschluss entzogenen Aktien zurück erwerben können. Allerdings sah das Landgericht München I für diesen Antrag nach den Vorgaben des FMStBG und der Zuständigkeitsverteilung innerhalb einer Aktiengesellschaft keine Kompetenz der Hauptversammlung, so dass darüber auch nicht abgestimmt werden musste.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.01.2011
Quelle: Landgericht München I/ra-online