Thüringer Oberlandesgericht Jena Beschluss27.10.2025
Kein Gerichtsverfahren gegen Geraer Richter, den die Staatsanwalt wegen Volksverhetzung anklagen wollteIn Facebook-Eintrag pauschal Angehörige der Sinti und Roma diffamiert
Das OLG Thüringen hat die Entscheidung bestätigt, dass die Äußerungen eines Geraer Verwaltungsrichters keine Volksverhetzung darstellen. Eine von der Staatsanwaltschaft Gera eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen, womit eine Hauptverhandlung in diesem Fall entfällt. Dem Richter wurde vorgeworfen, dass ein von ihm auf Facebook veröffentlichter Kommentar den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde.
Die Staatsanwaltschaft Gera erhob im April 2025 Anklage gegen den Angeschuldigten zum Landgericht Gera. Sie warf ihm vor, in einem Facebook-Eintrag pauschal Angehörige der Sinti und Roma als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche?“bezeichnet zu haben. Diese Äußerung erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB), weil sie zum Hass aufstachele und einen Angriff auf die Menschenwürde darstelle. Das Landgericht Gera sah diese Tatbestandsmerkmale als nicht erfüllt an und lehnte mit Beschluss vom 17.07.2025 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Gera sofortige Beschwerde ein, über die nun der 3. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts entschieden hat. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
In dem Beschluss führt der 3. Strafsenat zunächst aus, dass das Landgericht die Äußerung des Angeschuldigten zutreffend ausgelegt habe. Der Angeschuldigte habe zum Ausdruck gebracht, dass Angehörige der Sinti und Roma als nicht sesshafte Personen durch Europa reisen und Straftaten im Bereich der Vermögensdelikte begehen würden.
OLG: Keine Volksverhetzung aber möglicherweise eine Beleidigung
Der Senat betont, dass dieser Eintrag als ehrverletzende Äußerung bei Vorliegen eines Strafantrags rechtlich verfolgt werden (§ 185 StGB (Beleidigung)) und Angehörige der Sinti und Roma auf diesem Weg strafrechtlicher Schutz zukommen könnte. Der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) sei aber nicht erfüllt.
OLG: Äußerung ist weder von Hass erfüllt noch reizt sie in feindseliger Weise zum Hass an
Die aus Sicht des Senats grob geschmacklose und diffamierende Entgleisung des Angeschuldigten sei ein missglückter Versuch, die Betroffenen in ironisch-satirischer Form pauschal lächerlich zu machen und möglichst viele „Likes“ zu erzielen. Gleichwohl sei die Äußerung weder von Hass erfüllt noch reize sie in feindseliger Weise zum Hass an (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB „Aufstacheln zum Hass“).
Auch ein Angriff auf die Menschenwürde (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB) liege nicht vor. Diese Norm knüpfe an Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes an und schütze den unverzichtbaren Kern der Menschenwürde. Bloße Beleidigungen und Beschimpfungen reichten dafür nicht aus. Erforderlich sei, dass den angegriffenen Personen das Lebensrecht in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen werde und sie als minderwertige Wesen behandelt werden würden. Diese Schwelle sei hier nicht erreicht. Der Senat begründet diese Würdigung ausführlich mit einer vergleichenden und rechtshistorischen Betrachtung, in deren Kontext die Äußerung gestellt wird. Der Eintrag des Angeschuldigten lasse insbesondere keinen Bezug zu dem nationalsozialistischen menschenverachtenden Gedankengut unter Aberkennung der Menschenwürde erkennen, sondern bewege sich auf einer diskriminierenden und diffamierenden Ebene, die zwar ehrverletzend sei, aber den Angehörigen der Sinti und Roma nicht die Würde als Mensch abspreche.
Gegen den Beschluss kann kein weiteres Rechtsmittel eingelegt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.11.2025
Quelle: Thüringer Oberlandesgericht, ra-online (pm/pt)