18.10.2024
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Dokument-Nr. 3158

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Urteil09.10.2006BundesgerichtshofII ZR 46/05
Vorinstanzen:
  • Landgericht Mainz, Urteil17.02.2004, 10 HKO 79/97
  • Oberlandesgericht Koblenz, Urteil27.01.2005, 6 U 342/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.10.2006

BGH zur Fortsetzung einer aktien­recht­lichen Anfech­tungsklage nach Wegfall der Aktio­när­s­stellung durch Squeeze outSqueeze out lässt Anfech­tungs­be­fugnis des ausge­schlossenen Aktionärs nicht entfallen

Ein Aktionär ist zur Fortführung einer aktien­recht­lichen Anfech­tungsklage analog § 265 Abs. 2 ZPO nicht nur bei freiwilliger nachträglicher Aufgabe seiner Aktio­när­s­stellung im Wege der Veräußerung seiner Aktien, sondern gleichermaßen im Falle des „zwangsweisen“ Verlustes dieser Rechtsposition durch sog. Squeeze out (§ 327 a AktG) im Laufe des Anfech­tungs­pro­zesses befugt, sofern er – im jeweiligen konkreten Einzelfall – ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfah­rens­fort­s­etzung hat. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Kläger und deren Streithelfer waren Minder­heits­ak­tionäre der beklagten Aktien­ge­sell­schaft. Im Mai 1997 stimmte die Haupt­ver­sammlung der Beklagten einer zuvor erfolgten Ausgliederung des zentralen Unter­neh­mensteils auf eine neu gegründete GmbH & Co. KG mit anschließender Veräußerung der Geschäfts­anteile an die Mehrheits­ak­ti­onärin der Beklagten gemäß § 179 a AktG zu. Gegen diese Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse richten sich die Anfechtungs-, hilfsweise Nichtigkeits- und Nichtig­keits­fest­stel­lungs­klagen der Kläger; sie haben insbesondere geltend gemacht, der operative Teil des Unternehmens sei erheblich unter Wert veräußert worden, die Hauptaktionärin habe sich dabei durch Ausübung ihres Stimmrechts treuwidrig einen unzulässigen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft und der Minder­heits­ak­tionäre verschafft (§ 243 Abs. 2 AktG). Noch vor Erlass des erstin­sta­nz­lichen Urteils wurden die Kläger im Rahmen eines Squeeze-out-Verfahrens aus der beklagten Aktien­ge­sell­schaft rechtswirksam ausgeschlossen und ihre Aktien auf die Haupt-aktionärin übertragen. Die damit einzig verbliebene Aktionärin beschloss sodann auf einer außer­or­dent­lichen Haupt­ver­sammlung im September 2003 die Bestätigung der angefochtenen Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägern fehle - aufgrund des Wegfalls ihrer Gesell­schaf­ter­stellung in Folge des Squeeze-out-Verfahrens - die für die Erhebung der Klage erforderliche Anfech­tungs­be­fugnis. Hiergegen richtet sich die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Kläger.

Der II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass ein Aktionär zur Fortführung einer aktien­recht­lichen Anfech­tungsklage analog § 265 Abs. 2 ZPO nicht nur bei freiwilliger nachträglicher Aufgabe seiner Aktio­när­s­stellung im Wege der Veräußerung seiner Aktien, sondern gleichermaßen im Falle des „zwangsweisen“ Verlustes dieser Rechtsposition durch sog. Squeeze out (§ 327 a AktG) im Laufe des Anfech­tungs­pro­zesses befugt ist, sofern er – im jeweiligen konkreten Einzelfall – ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfah­rens­fort­s­etzung hat.

Ein derartiges rechtliches Interesse der Kläger war nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs im vorliegenden Fall zu bejahen. Denn ein den Anfech­tungs­klagen stattgebendes, auf den gerügten Beschlussmangel des unzulässigen Sondervorteils (§ 243 Abs. 2 AktG) gestütztes Gestal­tungs­urteil führte zwar nicht zur Rückabwicklung des in das Handelsregister eingetragenen und damit wirksam gewordenen Zwangs­aus­schlusses der Minder­heits­ak­tionäre; es hätte aber die Nichtigkeit der Zustim­mungs­be­schlüsse der Haupt­ver­sammlung zur Übertragung des wesentlichen betrie­bs­not­wendigen Vermögens der Beklagten auf ihre damalige Hauptaktionärin und damit die Unwirksamkeit der entsprechenden Verpflich­tungs­verträge zur Folge. Daraus würden nach dem Vortrag der Kläger – weil die Berei­che­rungs­ansprüche aus den nichtigen Verpflich­tungs­ver­trägen den für die Ermittlung der Abfindung im Squeeze out-Verfahren maßgeblichen Wert erhöhen würden - rechtlich erhebliche, positive Auswirkungen auf die im Spruchverfahren zu ermittelnde, von ihnen im Zusammenhang mit ihrem Squeeze out zu beanspruchende Barabfindung resultieren.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 133/06 des BGH vom 09.10.2006

der Leitsatz

AktG §§ 327 a ff.; ZPO § 265 Abs. 2

a) Der Aktionär ist zur Fortführung einer aktien­recht­lichen Anfech­tungsklage analog § 265 Abs. 2 ZPO nicht nur bei freiwilliger nachträglicher Aufgabe seiner Aktio­när­s­stellung im Wege der Veräußerung seiner Aktien, sondern erst recht im Falle des "zwangsweisen" Verlustes dieser Rechtsposition durch sog. Squeeze out (§ 327 a AktG) im Laufe des Anfech­tungs­pro­zesses befugt, soweit er - im jeweiligen konkreten Einzelfall - ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfah­rens­fort­s­etzung hat.

b) Ein derartiges berechtigtes Interesse des Aktionärs an der Weiterführung des Anfech­tungs­pro­zesses besteht auch nach dem Erlöschen der Mitgliedschaft durch den Squeeze out, soweit der Ausgang des Anfech­tungs­ver­fahrens rechtlich erhebliche Auswirkungen auf die als Vermö­gens­aus­gleich für den Verlust der Mitgliedsrechte zu gewährende angemessene Barabfindung (§§ 327 a ff. AktG) haben kann.

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