21.11.2024
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil14.12.2007

Beschränkungen bei der Nutzung von Flugscheinen sind unzulässig - Urteil zum "Cross-Ticketing"Verbrau­cher­zentrale Bundesverband (vzbv) gewinnt Muster-Verfahren gegen British Airways

So genannte Überkreuz­bu­chungen sind erlaubt. Ein Rückflugticket behält seine Gültigkeit, wenn der Hinflug aus persönlichen Gründen nicht in Anspruch genommen wird. Mit diesem Urteil gegen die Flugge­sell­schaft British Airways hat das Landgericht Frankfurt am Main ein wichtiges Signal gegen die gängige Praxis der Flugge­sell­schaften des sogenannten Cross-Ticketing gesetzt. Damit gewinnt der Verbrau­cher­zentrale Bundesverband (vzbv) in erster Instanz eines seiner Musterverfahren gegen diese verbrau­cher­feindliche Geschäfts­be­dingung. Ein weiteres Verfahren ist gegen die Lufthansa anhängig.

Was bedeutet Cross-Ticketing? In den allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Flugge­sell­schaften heißt es sinngemäß, dass Flugtickets ihre Gültigkeit verlieren, wenn sie nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge genutzt werden. Dies hat in der Praxis zur Folge, dass ein gebuchter und bezahlter Rückflug verfällt, wenn der Hinflug zum Beispiel wegen Krankheit nicht wahrgenommen werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verein zur Wahrung von Verbrau­che­r­in­teressen. Die Beklagte ist eine Flugge­sell­schaft (hier: British Airways). Der Kläger verlangt, dass die Beklagte es unterlässt, Ziffer 3c Abs. 1 ihrer Allgemeinen Beför­de­rungs­be­din­gungen für Fluggäste zu verwenden. Darin ist geregelt, dass der Flugschein seine Gültigkeit verliert, wenn nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge genutzt werden. Die Beklagte will mit dieser Regelung verhindern, dass ihre Tarifstruktur unterlaufen wird. Sie bietet Zubringerflüge zu ihrem zentralen Flughaften London – Heathrow an, von dem aus sie Langstre­ckenflüge durchführt. Deswegen verwendet sie mitunter Tarife, in denen derartige Umstei­ge­ver­bin­dungen zu niedrigeren Preisen angeboten werden als der Direktflug im Heimatmarkt. Mit der beanstandeten Klausel möchte sie verhindern, dass nur am Direktflug interessierte Reisende den billigeren Tarif wählen, indem sie einen Zubringerflug mitbuchen, aber nicht in Anspruch nehmen (Cross- Border-Selling). Ferner bietet sie für die Zielgruppe Touristen Hin- und Rückflüge, zwischen denen eine längere Minde­st­auf­ent­haltszeit liegt, wesentlich günstiger an als bei von Geschäftsleuten nachgefragten Beförderungen, bei denen der Rückflug sofort angetreten werden kann. Damit möchte die Beklagte verhindern, dass ein Kunde den teureren Tarif umgeht, indem er zwei Flugscheine jeweils mit Minde­st­auf­ent­haltszeit günstig erwirbt und aus jedem ein Segment abfliegt (Überkreuzbuchen).

Gerichtsentscheidung

Die 2. Zivilkammer hat die Unwirksamkeit dieser Regelung bestätigt. Sie führt in ihrer Entscheidung aus:

"Die Klage hat in der Sache Erfolg, weil Ziffer 3c Abs. 1 potentielle Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt. Die Verfallklausel beeinträchtigt die Rechte des einzelnen hiervon betroffenen Verbrauchers erheblich, weil zu seinem Nachteil von wesentlichern Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen wird. Bei Überkreuzbuchen oder Cross-Border-Selling werden seine Rechte auf die Hauptleistung ausgeschlossen. Die Sicht der Beklagten, dass sie die preisgünstigen Klauseln ohne die Sanktion der Ziffer 3c Abs. 1 nicht anbieten kann mit der Folge, dass niemand mehr von dem Preisvorteil profitiert, ist bei der Prüfung im Rahmen des Unter­las­sungs­kla­gen­gesetz nicht maßgeblich.

Die Maßregel, dass bei Nicht­i­n­an­spruchnahme einer Teilleistung der Anspruch auf die übrige Leistung entfällt, widerspricht der gesetzlichen Leitlinie völlig. Nach der Rechtsordnung hat ein Schuldner grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung ganz oder teilweise annimmt. Umgekehrt kennt die Rechtsordnung sogar den Anspruch eines Gläubigers auf eine Teilleistung (§ 416 HGB). Es gibt keine gesetzliche Regelung, wonach ein durch Teilleistungen erfüllbarer Anspruch insgesamt verfällt, wenn er teilweise nicht in Anspruch genommen wird. Im Gegenteil ist eine Bestimmung sogar unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme der Leistung die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird (§ 309 Nr. 6 BGB).

Regelungsbedarf sieht der Gesetzgeber in derartigen Fällen nur bei der Gegenleistung des Gläubigers und bei der Frage, ob ein Schuldner zu einer Teilleistung berechtigt ist. Obwohl die Beklagte kein Interesse daran hat, die vereinbarte Leistung erbringen zu dürfen und ihr keine Nachteile daraus erwachsen, wenn ein Vertragspartner einen Teil der vereinbarten und von ihm bezahlten Leistung nicht in Anspruch nimmt, will sie gegen ihn eine Sanktion verhängen. Dies ist unangemessen, weil es der Leitidee der Vertrags­ge­rech­tigkeit widerspricht. Niemand wird bezweifeln, dass es unangemessen wäre, wenn ein Gastwirt einem Gast, der ein Menü bestellt hat, den Hauptgang verweigert oder nur gegen einen Aufpreis servieren will, weil er seine Suppe nicht aufgegessen hat.

Die Klausel verstößt gegen den die Rechtsordnung prägenden Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäfts­grundlage vorliegen. (§ 313 BGB). Dies ist bei dem darin geregelten Sachverhalt nicht der Fall. Die Vertragspartner des Beför­de­rungs­ver­trages gehen gerade nicht übereinstimmend davon aus, dass sämtliche Teilstrecken abgeflogen werden. Statt des Preises, der nach dem veröf­fent­lichten Tarif für die gebuchte Leistung vorgesehen ist, soll im Ergebnis das Entgelt für einen vertraglich nicht gebuchten Flug gezahlt werden. Das Recht, sich vom Vertrag zu lösen verstößt gegen § 308 Nr. 3 BGB. Danach sind sachlich nicht gerechtfertigte Vertrags­auf­lö­sungen unwirksam. Hinzukommt, dass die Regelung § 346 BGB widerspricht, wonach bei einem Rücktritt die empfangenen Leistungen zurück­zu­ge­währen sind..."

Hintergrund des Verfahrens

Nicht nur British Airways und Lufthansa verwenden diese Klausel. Ähnliche Klauseln werden unter anderem auch von Air France, Austrian Airlines und Spanair verwendet. In insgesamt 15 Fällen hat der vzbv Abmahnungen ausgesprochen, die Verfahren jedoch bis zur Entscheidung der Verfahren gegen British Airways und Lufthansa zurückgestellt.

Die Verfahren zur Unterbindung des Cross-Ticketing sind Teil einer umfassenden Offensive des vzbv gegen die in der Flugbranche weit verbreiteten verbrau­che­run­freund­lichen Geschäfts­be­din­gungen und irreführenden Preiswerbungen. Unterstützung erhielt der vzbv jüngst von der Europäischen Kommission, die einen Vorstoß angekündigt hat, der Flugge­sell­schaften zur Werbung mit Endpreisen verpflichten soll.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. vom 19.12.2007 und Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main vom 07.01.2008

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