18.10.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil18.12.2008

Klausel gegen "Cross-Border-Selling" und "Überkreuzbuchen" im Flugverkehr unzulässigTeile von Flugscheinen dürfen nicht ungültig werden

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im Wesentlichen bestätigt, in dem einer britischen Flugge­sell­schaft geboten wird, es zu unterlassen, die folgende Klausel in ihren allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen zu verwenden: "Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit."

Die beklagte Flugge­sell­schaft bietet Zubringerflüge zum Flughafen London-Heathrow an, von dem aus sie Langstre­ckenflüge durchführt. Um letztere besser auslasten zu können, transportiert sie interessierte Passagiere von anderen Flughäfen mit Zubringerflügen nach London. Hierbei verwendet sie teilweise Tarife, in denen derartige Umstei­ge­ver­bin­dungen zu niedrigeren Preisen angeboten werden als der Direktflug von London aus. Mit der beanstandeten Klausel will die Flugge­sell­schaft verhindern, dass nur am Direktflug interessierte "Schnäpp­chenjäger" den billigeren Tarif wählen, indem sie einen Zubringerflug mitbuchen, diesen aber nicht in Anspruch nehmen (sog. Cross-Border-Selling).

Darüber hinaus bietet die Flugge­sell­schaft für Touristen Hin- und Rückflüge mit längerer Minde­st­auf­ent­haltszeit wesentlich günstiger an als bei von Geschäftsleuten nachgefragten Beförderungen, bei denen der Rückflug sofort angetreten werden kann. Mit der beanstandeten Klausel soll insoweit verhindert werden, dass ein Passagier den teureren Tarif umgeht, indem er zwei Flugscheine jeweils mit Minde­st­auf­ent­haltszeit erwirbt und aus jedem ein Segment "abfliegt" (sog. Überkreuzbuchen).

Gegen die Klausel hatte der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände geklagt. Seiner Meinung nach benachteiligt die Klausel die Passagiere unangemessen. Wie schon das Landgericht gab ihm nun auch das Oberlan­des­gericht insoweit Recht. Nach Auffassung des zuständigen 16. Zivilsenats ist die Klausel unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei, indem sie das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung störe. Der Verbraucher zahle eine bestimmte Vergütung, damit er zu einem bestimmten Zielort transportiert werde. Diese Leistung werde nicht unmöglich, wenn der Passagier bestimmte Teilstrecken nicht abfliege. Bei dieser Sachlage aber müsse ihn die Flugge­sell­schaft - wie vertraglich vereinbart - über die restliche Strecke an den Zielort befördern.

Die Klausel verstoße gegen diese gesetzliche Wertung, weil sie das Ziel habe, den Reisenden unter Fortbestand des Vergü­tungs­an­spruchs seines Weiter­trans­por­t­an­spruchs zu berauben. Sie wolle erreichen, dass der Fluggast ein neues Flugticket erwerben muss, obwohl er den vollen Flugpreis für die Gesamtstrecke bereits gezahlt habe, während andererseits die Flugge­sell­schaft in der Lage sei, den freigewordenen Sitzplatz an einen anderen Interessenten zu "verkaufen". Hierdurch werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt.

Die Kompetenz der deutschen Gerichtsbarkeit, das Verbot der Klausel auszusprechen, erstrecke sich allerdings auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Soweit das Landgericht noch ein unein­ge­schränktes (weltweites) Verbot ausgesprochen hatte, war dies nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts entsprechend abzuändern.

Quelle: ra-online, OLG Frankfurt

der Leitsatz

1. Für die Klage eines Verbrau­cher­schutz­ver­bandes auf Unterlassung der Verwendung von Vertrags­klauseln nach dem UKlaG ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben.

2. Eine Klausel in einem Flugtrans­port­vertrag über eine Perso­nen­be­för­derung, wonach ein Passagier seines Weiter­trans­por­t­an­spruchs verlustig geht, wenn er nicht alle Flugcoupons in der vorgesehenen Reihenfolge abfliegt, ist unwirksam, weil sie den Passagier unangemessen benachteiligt. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, weil das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört wird. Bei dieser Klausel handelt es sich auch um eine unzulässige Vertragsstrafe im Sinne von § 308 Nr. 6 BGB.

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