18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil29.04.2010

BGH: Trans­port­be­din­gungen, die Flugscheine bei Abweichungen von gebuchter Flugreihenfolge nichtig machen, sind unwirksamUnangemessene Benachteiligung entgegen des Grundsatzes von Treu und Glauben

Der (generelle) Ausschluss des Rechts eines Kunden einer Flugge­sell­schaft, die Beför­de­rungs­leistung nur teilweise in Anspruch zu nehmen, benachteiligen den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In den Allgemeinen Beför­de­rungs­be­din­gungen von British Airways ist geregelt, dass der Flugschein seine Gültigkeit verliert, wenn nicht alle "Flight Coupons" in der angegebenen Reihenfolge genutzt werden. Die Deutsche Lufthansa AG verwendet im Geschäfts­verkehr "Beför­de­rungs­be­din­gungen für Fluggäste und Gepäck (ABB Flugpassage)", in denen es unter anderem heißt:

"Der Flugschein verliert seine Gültigkeit und wird nicht zur Beförderung angenommen, wenn Sie nicht alle Flugcoupons vollständig und in der im Flugschein vorgesehenen Reihenfolge ausnutzen. Die Inanspruchnahme der gesamten Beför­de­rungs­leistung ist wesentlicher Bestandteil des mit uns geschlossenen Beför­de­rungs­ver­trages. Die Kündigung einzelner Teilstrecken (Coupons) ist vertraglich ausgeschlossen."

Klausel soll Nutzung der Tickets nur für Teilstrecken zu günstigen Konditionen verhindern

Derartige oder ähnliche Klauseln verwenden auch andere Luftver­kehrs­un­ter­nehmen, um zu verhindern, dass Beförderungen auf Teilstrecken zu günstigeren Konditionen erreicht werden, als dies nach dem Tarifsystem vorgesehen ist. Beispielsweise soll damit vermieden werden, dass Flugscheine für Flüge, bei denen eine Zwischenlandung vorgesehen ist (Fernflug mit Zubringerflug), nur für die zweite Teilstrecke (Fernflug) genutzt werden. Dazu besteht dann ein Anreiz, wenn der Preis für beide Flüge zusammen niedriger ist als der Preis, der bei Buchung nur des Fernflugs verlangt wird. Die Klausel soll ferner ausschließen, dass Fluggäste bei günstig angebotenen Hin- und Rückflügen die Tickets der einzelnen Flüge anders als vorgesehen kombinieren oder nur für Teilstrecken nutzen und so zu einem geringeren Preis fliegen, als wenn sie von vorneherein die tatsächlich geflogene Strecke gebucht hätten.

Oberlan­des­ge­richte haben unter­schiedliche Auffassungen

Die mit den Klagen der Verbrau­cher­zentrale befassten Oberlan­des­ge­richte haben die Gültigkeit der Klauseln unterschiedlich beurteilt. Das Oberlan­des­gericht Köln (OLG Köln, Urteil v. 31.07.2009 - 6 U 224/08 -) hat sie für wirksam, das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 18.12.2008 - 16 U 76/08 -) für unwirksam gehalten.

Kunden darf Recht auf nur teilweise Nutzung der Beför­de­rungs­leistung nicht genommen werden

Der Bundes­ge­richtshof hat nunmehr entschieden, dass der Fluggast entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird, wenn ihm das Recht, die Beför­de­rungs­leistung nur teilweise in Anspruch zu nehmen (z.B. nur einen von zwei gebuchten Flügen anzutreten), generell genommen wird. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Gläubiger (hier: der Fluggast) grundsätzlich berechtigt, nur einen Teil der ihm vertraglich zustehenden Gesamtleistung vom Schuldner (hier: dem Luftver­kehrs­un­ter­nehmen) zu fordern, sofern nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht. Danach kann der Anspruch auf die Teilleistung zwar ausgeschlossen sein, wenn der Fluggast schon bei Vertragschluss nicht die Absicht hat, die Gesamtleistung des Luftver­kehrs­un­ter­nehmens in Anspruch zu nehmen, sondern diese nur deshalb bucht, weil er auf diese Weise an einen Preisvorteil gelangen will, der etwa Fluggästen angeboten wird, die Unbequem­lichkeit und Zeitverlust einer Umstei­ge­ver­bindung auf sich nehmen, obwohl von dem von ihnen gewünschten Abflughafen auch – häufig allerdings teurere – Direktflüge zu ihrem Endziel angeboten werden. Jedoch erfasst die Klausel beispielsweise auch Fälle, in denen sich der Fluggast wegen einer veränderten Terminplanung bereits am Abflughafen für den Fernflug oder in dessen Nähe befindet oder in denen er den Zubringerflug verpasst, den Fernflug aber noch auf anderem Wege erreichen kann. In diesen Fällen steht der Grundsatz von Treu und Glauben dem Anspruch des Fluggastes auf die Beförderung mit dem Fernflug nicht entgegen.

Luftver­kehrs­un­ter­nehmen müssen eigene Interessen in zumutbarer Weise durch milderere Regelungen wahren

Im Hinblick hierauf kann das legitime Interesse der Luftver­kehrs­un­ter­nehmen, eine Umgehung ihres jeweiligen Tarifsystems zu verhindern, den generellen Ausschluss des Anspruchs auf Teilleistungen nicht rechtfertigen. Die Luftver­kehrs­un­ter­nehmen könnten ihre Interessen zumutbarerweise durch eine andere, mildere Regelung ebenso wahren. Hierzu genügte eine Regelung, die den Fluggast gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgeltes verpflichtet, wenn die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht angetreten wird, etwa, indem in den Beför­de­rungs­be­din­gungen bestimmt würde, dass bei Nichtantritt eines Flugs für den verbleibenden Flug derjenige (höhere) Preis zu zahlen ist, der zum Zeitpunkt der Buchung für die isolierte Buchung nur dieses Flugs verlangt worden ist.

Quelle: ra-online, BGH

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