In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin in einem Linienbus der Beklagten unterwegs. Die Klägerin hatte einen Sitzplatz und las ein Buch als der Bus unvermittelt scharf bremsen musste. Die Klägerin wurde dabei vom Sitz geschleudert und prallte mit dem Gesicht gegen eine Metallstange. Sie verlangte daraufhin Ersatz ihrer entstandenen Schäden. Das Amtsgericht Bonn gab der Klage statt.
Die Richter des Landgerichts Bonn sahen dies in der Berufungsverhandlung jedoch anders. Da die Klägerin in einem Buch gelesen und sich nicht ausreichend festgehalten und auch nicht auf den Verkehr geachtet habe, habe sie den Unfall überwiegend selbst verschuldet.
In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass Fahrgäste in Bahnen und Bussen sich selbst überlassen sind und nicht damit rechnen können, dass sich der Fahrer um sie kümmert (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.1992 - VI ZR 27/92 = NJW 1993, 654). Nach den allgemeinen Beförderungsbestimmungen ist jeder Fahrgast verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Diese Verpflichtung ist nicht auf stehende Passagiere beschränkt. Auch für sitzende Fahrgäste kann es aufgrund von Querbeschleunigungskräften geboten ein, sich zusätzlich sicheren Halt zu verschaffen, um ein seitliches Abrutschen aus dem Sitz zu verhindern (vgl. OLG Köln, Urt. v. 17.04.1991 - 2 U 173/90 = NVZ 1992, 279).
Es besteht nach Ansicht des Landgerichts einschränkungslos die Verpflichtung des Fahrgastes, für eine ausreichende Sicherung selbst und eigenverantwortlich Sorge zu tragen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Sitz- und Stehplätze in einem Linienbus nicht über spezielle Sicherungseinrichtungen, wie etwa Dreipunktgurte, verfügen. Dem Fahrer ist es wegen der vorrangigen Verpflichtung den Straßenverkehr zu beobachten und auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen, nicht dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob alle Fahrgäste im Fahrgastraum über einen festen Halt verfügen oder ob ihre Steh- oder Sitzposition eine Gefährdung nahelegt.
Es besteht zwar nach Auffassung des Landgerichts keine Rechtspflicht einen besonders sicheren Platz zu wählen. Die Wahl eines Sitzplatzes, welcher eine höheren Gefährdung unterliegt als andere, bei einer Vielzahl von freier zur Verfügung stehender Sitzplätze ist aber geeignet, ein Mitverschulden zu begründen. Dies konnte hier jedoch wegen der bereits bejahten überwiegenden Mitschuld der Klägerin dahinstehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.10.2012
Quelle: Landgericht Bonn, ra-online (vt/rb)