21.11.2024
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Landgericht Hamburg Urteil18.09.2012

Tonndorfer Busunfall – Feuerwehrmann zu sechsmonatiger Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteiltFolgenschwerer Busunfall durch Missachtung der Sorgfalts­pflicht eines Feuerwehrmannes

Das Landgericht Hamburg hat den Fahrer eines Feuer­wehr­fahrzeugs, der am 6. Juli 2011 auf der Stein-Hardenberg-Straße vor dem Tonndorfer Bahnhof einen schweren Verkehrsunfall mit einem Linienbus verursachte, wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen sowie wegen fahrlässiger Körper­ver­letzung in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde auf 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

In dem zugrunde liegenden Fall geht das Landgericht Hamburg nach der Beweisaufnahme davon aus, dass der Angeklagte seine Sorgfalts­pflicht verletzt hat, indem er bei für ihn „roter Ampel“ zu schnell in den Einmün­dungs­bereich einer Kreuzung eingefahren ist, sodass er nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, um die Kollision mit dem aus der Einmündung heranfahrenden Bus zu vermeiden. Nicht erwiesen ist hingegen, dass der Angeklagte erst zu spät das Martinshorn eingeschaltet hat.

"Rote Ampel": Kollision mit Bus durch zu schnelles Einfahren in Einmün­dungs­bereich

Die Beweisaufnahme, in deren Verlauf 34 Zeugen und ein Sachver­ständiger gehört wurden, hat folgenden Sachverhalt ergeben:

Das Feuer­wehr­fahrzeug befuhr am 6. Juli 2011 kurz nach 14 Uhr auf dem Weg zu einem Löscheinsatz mit einer Geschwindigkeit von 63 km/h die Stein-Hardenberg-Straße in Richtung Rahlstedt. Auf der Höhe des in Fahrtrichtung rechts gelegenen Bahnhofs Tonndorf musste das Einsatzfahrzeug die durch eine Ampelanlage gesicherte Einmündung vom Bahnhofs­vorplatz auf die Stein-Hardenberg-Straße passieren. Die Ampel zeigte bereits „rot“, als das Fahrzeug noch 128 Meter entfernt war. Der Angeklagte fuhr in den Einmün­dungs­bereich ein und kollidierte dort mit einem HVV-Gelenkbus der Linie 9. Dieser war zuvor bei „grüner Ampel“ angefahren, um vom Bahnhofs­vorplatz nach links in die Stein-Hardenberg-Straße in Richtung Wandsbek-Markt zu fahren. Der Angeklagte hatte, nachdem er den Bus bemerkt hatte, noch etwa 40 m vor der Kolli­si­ons­stelle stark gebremst. Trotzdem hatte sein Fahrzeug noch eine Geschwindigkeit von 43 km/h, als es frontal gegen die linke Seite des Busses fuhr. Bei dem Unfall wurden zwei Fahrgäste getötet und 17 weitere z.T. schwer verletzt. Auch vier Besat­zungs­mit­glieder des Einsatz­fahrzeugs und der Angeklagte erlitten Verletzungen.

Auch von Feuer­wehr­fahr­zeugen im Einsatz ist konkrete Verkehrs­si­tuation berück­sich­ti­gendes Fahrverhalten zu erwarten

Der Angeklagte hat nach der Überzeugung des Landgerichts Hamburg fahrlässig gehandelt, weil er, nachdem die Ampel auf „rot“ umgesprungen war, die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs nicht angemessen abbremste, obwohl ihm das möglich gewesen wäre. Von einem Feuer­wehr­fahrzeug müsse auch bei Inanspruchnahme von Sonderrechten ein die konkrete Verkehrs­si­tuation berück­sich­ti­gendes Fahrverhalten erwartet werden. Den Fahrer, der Sonderrechte in Anspruch nehme, treffe sogar eine erhöhte Sorgfalts­pflicht, denn dadurch, dass er sich von den sonst geltenden Verkehrsregeln löse, schaffe er eine besonders gefährliche Situation. Entsprechend dürfe beim Passieren einer „roten Ampel“ mit Sonderrechten im Nahbereich von 20 m vor einer Kreuzung / Einmündung nicht schneller als 30 km/h gefahren werden, wenn nicht feststeht, dass die Kreuzung frei ist. Nur dann könne noch erfolgreich reagiert werden, wenn andere Verkehrs­teil­nehmer (auch Fahrradfahrer oder Fußgänger) die Sonderrechte des Einsatz­fahrzeugs missachteten.

Rechtzeitiges Einschalten des Martinshorns nicht erwiesen

Als nicht erwiesen hat das Gericht dagegen den ebenfalls erhobenen Vorwurf angesehen, der Angeklagte habe zu spät das Martinshorn eingeschaltet. Die sehr unter­schied­lichen Angaben der zahlreichen Zeugen zur Dauer des Hornsignals vor der Kollision führten dazu, dass insoweit keine ausreichend sicheren Feststellungen getroffen werden konnten. Weil bei verbleibenden Zweifeln immer die für den Angeklagten günstigste mögliche Sachver­halts­va­riante angenommen werden muss, geht das Landgericht Hamburg davon aus, dass der Angeklagte das Martinshorn rechtzeitig eingeschaltet hat. Das lässt jedoch nicht den Rückschluss zu, der Busfahrer habe das rechtzeitig eingeschaltete Horn ignoriert. Mangels Aufklärbarkeit dieses Punktes müsste nach der Zweifels­re­gelung auch für ihn die günstigere Sachver­halts­va­riante angenommen werden, d.h., dass das Horn nicht rechtzeitig eingeschaltet wurde.

Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten wegen einsatz­be­dingter Anspannung

Die schweren Folgen der Tat führten dazu, dass das Gericht eine Freiheitsstrafe als tat- und schuld­an­ge­messen ansah und keine Geldstrafe verhängte. Die Freiheitsstrafe war jedoch im untersten Bereich des bis zu fünf Jahren reichenden Strafrahmens anzusiedeln. Auch konnte ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei der Strafzumessung fiel zu Gunsten des Angeklagten ins Gewicht, dass er sich wegen des bevorstehenden Einsatzes in einer besonders angespannten Situation befunden hat. Es war für ihn zudem von besonderer Bedeutung, schnell am Einsatzort anzukommen, um dort helfen zu können. Trotz eigener Verletzungen hat er nach dem Unfall sofort die Hilfsmaßnahmen für die Unfallopfer unterstützt. Auch leidet er nach wie vor psychisch an den Folgen der Tat.

Quelle: Landgericht Hamburg/ra-online

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