15.11.2024
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Landgericht Berlin Urteil12.03.2019

Mieter kann unter Verweis auf hohes Lebensalter Fortsetzung des Mietver­hält­nisses verlangenLandgericht Berlin stärkt Schutz alter Menschen vor (Eigenbedarfs-)Kündigung ihres Mietver­hält­nisses

Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass Mieter vom Vermieter allein unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses verlangen können.

Die Parteien des zugrunde liegenden Rechtsstreits streiten über die Räumung und Herausgabe einer von den mittlerweile 87- und 84-jährigen Beklagten im Jahre 1997 von den Rechts­vor­gängern der Klägerin angemieteten Wohnung. Die Klägerin erklärte im Jahre 2015 die Kündigung des Mietver­hält­nisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beein­träch­tigten Gesund­heits­zustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.

LG: Mietern steht Anspruch auf zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietver­hält­nisses zu

Das Amtsgericht Mitte wies die von der Klägerin erhobene Räumungsklage ab. Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Landgericht Berlin wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass den Beklagten gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietver­hält­nisses zustehe. Das Gericht hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von den Beklagten behaupteten gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen tatsächlich derartig erheblich sind wie vom Amtsgericht angenommen. Die beklagten Mieter hätten sich berechtigt darauf berufen, dass der Verlust der Wohnung - unabhängig von dessen gesund­heit­lichen und sonstigen Folgen - für Mieter hohen Alters eine "Härte" i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeute. Die Vorschrift sei mit Blick auf den durch Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozial­staats­prinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungs­an­spruch alter Menschen entsprechend weit auszulegen. Das Gericht ließ es dabei dahinstehen, ab welchem Alter sich Mieter auf den Härtegrund "hohen Alters" berufen können, da das Lebensalter der bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung über 80-jährigen Beklagten nach sämtlichen in Betracht zu ziehenden Beurtei­lungs­maß­stäben hoch sei.

Vermieter muss für Eigen­be­da­rfs­kün­digung grundsätzlich besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile geltend machen können

Das Gericht befand gleichzeitig, dass das als Härtegrund eingewandte hohe Alter des Mieters auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters bei nicht auf einer Pflicht­ver­letzung des Mieters beruhenden Kündigungen durch den Vermieter in der Regel die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses gebiete. Eine Inter­es­se­n­ab­wägung zu Gunsten des Vermieters komme grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietver­hält­nisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten Mieters zumindest gleichrangiges Erlan­gungs­in­teresse begründeten. Ein solches müsse in seiner Bedeutung für den Vermieter über ein gewöhnliches "berechtigtes Interesse" zur Kündigung noch hinausgehen und an die Gründe heranreichen, die die Beendigung des Mietver­hält­nisses aus seiner Sicht berech­tig­terweise als geradezu notwendig erscheinen lassen. Ein entsprechend hohes Erlan­gungs­in­teresse könne die Klägerin aber nicht geltend machen, da die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung zum einen nicht auf eine ganzjährige Nutzung und zum anderen auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaft­licher Nachteile gerichtet sei.

Quelle: Kemmergericht/ra-online (pm)

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