23.11.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil23.02.2012

Fehlerhafte Abiturprüfung – Kultus­mi­nis­terium muss BILD-Zeitung keinen „Letzt­un­ter­zeichner“ benennenMinisterium dank Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht ausnahmsweise nicht zur namentlichen Benennung des Letzt­un­ter­zeichners verpflichtet

Die BILD-Zeitung hat keinen Auskunfts­an­spruch nach dem Hessischen Pressegesetz zu der fehlerhaften Aufga­ben­stellung für die Abiturklausur im Fach Mathematik im Jahr 2009. Dies entschied der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof und änderte damit die vorausgegangene Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Wiesbaden ab, mit dem das Land Hessen zur Mitteilung der für die Freigabe der fehlerhaften Aufgaben „letzt­ver­ant­wort­lichen“ Person verurteilt worden war.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein Journalist und Leiter der Redaktion der BILD-Zeitung in Frankfurt am Main sowie die Axel Springer AG als Verlegerin dieser Tageszeitung, begehren vom Hessischen Kultus­mi­nis­terium eine Auskunft nach dem Hessischen Gesetz über Freiheit und Recht der Presse (Hessisches Pressegesetz - HPresseG -) im Zusammenhang mit dem Zentralabitur 2009 in Hessen.

Schüler erhalten Möglichkeit Mathe­ma­tik­klausur wegen vorheriger fehlerhafter Aufgaben zu wiederholen

Die Klausur im Fach Mathematik wurde am 27. März 2009 mit vom Hessischen Kultus­mi­nis­terium für Schülerinnen und Schüler der Grund- und Leistungskurse landesweit vorgegebenen Aufga­ben­stel­lungen geschrieben. Nachdem festgestellt worden war, dass diese Aufgaben Fehler aufwiesen, wurde den Schülern/innen die Möglichkeit eröffnet, die Mathe­ma­tik­klausur am 30. April 2009 mit anderer Aufga­ben­stellung zu wiederholen. Darüber berichtete die BILD-Zeitung damals mehrfach.

Bekanntgabe der Identität einzelner Mitglieder der Kommissionen bzw. mit dem Vorgang betrauter Personen

Auf Anfragen des klagenden BILD-Redakteurs teilte das Hessische Kultus­mi­nis­terium mit, dass die Abituraufgaben im Fach Mathematik im Auftrag des Ministeriums von verschiedenen Kommissionen erarbeitet und geprüft worden seien. Bei der erfolgten internen Überprüfung hätten die Fehler weder Mitgliedern dieser Kommissionen noch Mitarbeitern des Hessischen Kultus­mi­nis­teriums und des Instituts für Quali­täts­ent­wicklung zugeordnet werden können. An der begehrten Bekanntgabe der Identität einzelner Mitglieder der Kommissionen bzw. mit dem Vorgang betrauter Personen bestehe kein berechtigtes Interesse bzw. eine derartige Auskunft­s­er­teilung sei aus daten­schutz­recht­lichen Gründen und aus Gründen des Persön­lich­keits­schutzes nicht statthaft.

Kultus­mi­nis­terium räumt zurecht Persön­lich­keits­rechten des Letzt­un­ter­zeich­nenden Vorrang vor geltend gemachtem öffentlichen Interesse an Namensnennung ein

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat sich in diesem Fall der Auffassung des Landes Hessen angeschlossen. Zur Begründung der Entscheidung wurde in der mündlichen Urteils­be­gründung ausgeführt, den Klägern stehe ein presse­recht­licher Auskunfts­an­spruch zwar dem Grunde nach zu; das beklagte Land sei zu der von den Klägern begehrten namentlichen Benennung des Letzt­un­ter­zeichners bei der Freigabe der fehlerhaften Mathe­ma­ti­k­aufgaben hier jedoch ausnahmsweise nicht verpflichtet, weil insoweit ein Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht bestehe. Bei der gebotenen Abwägung habe das Kultus­mi­nis­terium zurecht dem Persön­lich­keitsrecht des/der letzt­un­ter­zeich­nenden Mitarbeiters/in gegenüber dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an seiner/ihrer Namensnennung den Vorrang eingeräumt. In Übereinstimmung mit den bisherigen Angaben des Ministeriums habe die heutige Zeugenbefragung eines damaligen Abtei­lungs­leiters des Kultus­mi­nis­teriums ergeben, dass der/die „letzt­un­ter­zeichnende“ Mitarbeiter/in des Ministeriums in der Behör­den­hi­er­archie unterhalb der Abtei­lungs­lei­terebene gewesen sei und insbesondere eine inhaltliche Überprüfung der freigegebenen Abituraufgaben nicht vorgenommen habe, weil er/sie schon fachlich dazu gar nicht in der Lage gewesen wäre. Die öffentliche Bekanntgabe des Namens dieser Person sei deshalb nicht geeignet, den Grund für die Fehler in den Mathe­ma­ti­k­aufgaben zu ermitteln. Angesichts der vorprozessualen Berich­t­er­stattung der BILD-Zeitung könne demgegenüber die Preisgabe des Namens dieses/dieser Bediensteten gegenüber den Klägern dazu führen, dass diese Person in der Öffentlichkeit als haupt­ver­ant­wortlich für die Mängel der Aufga­ben­stel­lungen für die Mathe­ma­tik­klausur im Jahr 2009 stigmatisiert werde, obgleich nach Darstellung des Kultus­mi­nis­teriums die aufgetretenen Mängel offenbar die Folge eines nicht hinreichend strukturierten Zusammenwirkens von Exper­ten­kom­mis­sionen und Bediensteten des Ministeriums gewesen sei. Damit geriete die verlangte Auskunft in einen Bereich, in dem bei einem Amtsträger auch die dienstliche Tätigkeit zu einer persönlichen Angelegenheit werde und somit in den Schutzbereich des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts falle.

§ 3 Abs. 1 HPresseG lautet (auszugsweise):

„Die Behörden sind verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Sie können eine Auskunft nur verweigern,

1. […]

2. soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten Einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht, und […]“.

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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