18.10.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil01.01.2013

Hessischer Verwal­tungs­ge­richtshof zur Wohnungs­pro­sti­tution in Frankfurt am MainNutzung eines Massagestudios zu Prosti­tu­ti­o­ns­zwecken: VGH hebt Verfügung der Stadt Frankfurt am Main auf

Werden in einem baupla­nungs­rechtlich als Mischgebiet ausgewiesenem Quartier Räumlichkeiten eines Hinterhauses zu Prosti­tu­ti­o­ns­zwecken genutzt, so ist dies nicht zu beanstanden, wenn diese Art der gewerblichen Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung von außen nicht erkennbar ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs hervor.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Geklagt hatte der Eigentümer eines Hausgrundstücks, der die Räumlichkeiten eines Hinterhauses vermietet hatte. In diesen Räumen wurde von den Mieterinnen ein Massagestudio betrieben. Das Grundstück befindet sich in einem baupla­nungs­rechtlich als Mischgebiet ausgewiesenen Quartier, in dem auch ein erheblich größeres Betriebsgelände einer Entsorgungs- und Service GmbH liegt. Auf der gegen­über­lie­genden Straßenseite befindet sich ein allgemeines Wohngebiet. In einer Entfernung von ca. 200 m von dem Hausgrundstück befinden sich zwei Kinder­ta­gess­tätten und etwa 100 m entfernt eine Realschule. Auf einer Werbetafel im Bereich der Frankfurter Hauptwache sowie im Internet wurde für das Massagestudio geworben. Auf dem Grundstück selber befanden sich keine von außen sichtbaren Hinweise auf die Nutzungsart des Hinterhauses.

Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung in Massagesalon gefährdet Schutz der Jugend

Mit Verfügung vom 22. September 2011 wurde dem Kläger als Eigentümer und Vermieter unter Anordnung der inzwischen ausgesetzten sofortigen Vollziehung verboten, die Räumlichkeiten im Hinterhaus seiner Liegenschaft "als bordellartiger Betrieb zur Verfügung zu stellen". Zur Begründung verwies die Stadt Frankfurt am Main auf die Bestimmungen des Hessischen Gesetzes über Sicherheit und Ordnung und der Verordnung des Regie­rungs­prä­sidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main (sog. Sperr­ge­biets­ver­ordnung) in der derzeit geltenden Fassung. Die in den vom Kläger angemieteten Räumlichkeiten tätigen Prostituierten verstießen durch ihr Verhalten gegen die öffentliche Sicherheit, da die Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung in einem Massagesalon in diesem Bereich durch die Sperrgebietsverordnung untersagt sei. Der Kläger sei als Eigentümer und Vermieter und damit als so genannter Handlungsstörer polizei­rechtlich für die von der verbotenen Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung ausgehende Gefahr verantwortlich.

Berufung des Klägers erfolgreich

Mit Urteil vom 3. Februar 2012 hat das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Die gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Klägers war erfolgreich. Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat das erstin­sta­nzliche Urteil und die angefochtene Versa­gungs­ver­fügung aufgehoben.

VGH: Prosti­ti­o­ns­ausübung von außen nicht erkennbar

Zur Begründung führte der Verwal­tungs­ge­richtshof aus, die Sperr­ge­biets­ver­ordnung aus dem Jahr 1993 biete keine ausreichende Ermäch­ti­gungs­grundlage für die Untersagung des Massagesalons im Haus des Klägers. Diese Verordnung sei mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Rechts­ver­hältnisse der Prostitution (Prosti­tu­ti­o­ns­gesetz) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom April 2009 insoweit nicht vereinbar, als es nicht mehr zulässig sei, die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen ohne eine konkrete Bewertung daraus resultierender schädlicher Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen. Spätestens nach der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hätte daher für den Verord­nungsgeber Veranlassung bestanden, die Einbeziehung des Quartiers in die nach der Sperr­ge­biets­ver­ordnung ausgewiesen Sperrzone unter dem Gesichtspunkt der Gebiets­ver­träg­lichkeit von Wohnungsprostitution der hier angebotenen Form zu untersuchen. Für das Quartier, in dem sich das Hausgrundstück des Klägers befindet, hätte anhand einer solchen Untersuchung nach Auffassung des Senats eine Toleranzzone für Wohnungs­pro­sti­tution in der dort aktuell betriebenen Weise ausgewiesen werden können und müssen, da insbesondere der Jugendschutz durch die im Haus des Klägers stattfindende Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung nicht tangiert werde. Dies folge u. a. daraus, dass vor Ort keinerlei Hinweise auf den Betrieb eines Massagesalons vorhanden seien, so dass diese Art der gewerblichen Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung von außen nicht zu erkennen sei.

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel/ra-online

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