21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil17.12.2014

Eingrenzung von Prostitution durch Sperr­gebiets­verordnungen zulässigJugendschutz und Wahrung des öffentlichen Anstandes sind legitime Gemeinwohlziele

Die Legalisierung der Prostitutions­aus­übung nach Maßgabe des Prostitutions­gesetzes aus dem Jahr 2001 schließt es nicht aus, durch den Erlass von Sperr­gebiets­verordnungen eine lokale Steuerung der Prostitutions­aus­übung aus ordnungs­recht­lichen Gründen zu bewirken. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Nach Art. 297 EGStGB kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes für Teile des Gebiets einer Gemeinde durch Rechts­ver­ordnung verboten werden, der Prostitution nachzugehen. Gestützt hierauf erließ der dafür zuständige Regie­rungs­prä­sident Darmstadts im Jahre 1986 die Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands in Frankfurt am Main (Sperr­ge­biets­ver­ordnung). Sie untersagt in einem näher umschriebenen Teil des Stadtgebiets jede Form der Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung und lässt sie in anderen ebenfalls näher umschriebenen Teilen zu. Im übrigen Stadtgebiet ist es verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen, in öffentlichen Anlagen und an sonstigen Orten, die von dort eingesehen werden können, sowie in Prosti­tu­ier­ten­wohn­heimen, Prosti­tu­ier­ten­un­ter­künften und ähnlichen Einrichtungen (u. a. in sogenannten Massagesalons und sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern) der Prostitution nachzugehen.

Stadt untersagt Kläger Zurver­fü­gung­s­tellung seiner Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution

Der Kläger vermietete das Hinterhaus auf einem ihm gehörenden Hausgrundstück zum Betrieb eines sogenannten Massagestudios, in dem Prostituierte ihre Dienst­leis­tungen anbieten. Das Grundstück liegt in dem Teil der Stadt Frankfurt am Main, in dem nach der Sperrgebietsverordnung die Prostitution in Prosti­tu­ier­ten­wohn­heimen, Prosti­tu­ier­ten­un­ter­künften und ähnlichen Einrichtungen verboten ist. Die beklagte Stadt Frankfurt am Main untersagte dem Kläger durch die angefochtene Verfügung, seine Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung zu stellen, und stützte sich hierfür auf einen Verstoß gegen die Sperr­ge­biets­ver­ordnung.

Hessischer Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel hebt Unter­sa­gungs­ver­fügung auf

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main wies die hiergegen erhobene Klage des Klägers ab. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel hob auf die Berufung des Klägers die Unter­sa­gungs­ver­fügung auf: Die weitgehende Legalisierung der Prostitution durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Prosti­tu­ti­o­ns­gesetz und der darin manifestierte Wandel der gesell­schaft­lichen Akzeptanz der Prostitution verböten es, bei der Anwendung der Ermäch­ti­gungs­grundlage des Art. 297 EGStGB die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen, ohne die aus ihrer Ausübung resultierende schädliche Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder konkret zu bewerten.

Mögliche Beein­träch­ti­gungen für das Umfeld für Erlass einer Sperr­ge­biets­ver­ordnung ausreichend

Auf die Revision der beklagten Stadt hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Abweisung der Klage durch das erstin­sta­nzliche Urteil wieder­her­ge­stellt. Die Legalisierung der Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung nach Maßgabe des Prosti­tu­ti­o­ns­ge­setzes aus dem Jahr 2001 schließt es nicht aus, durch den Erlass von Sperr­ge­biets­ver­ord­nungen eine lokale Steuerung der Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung aus ordnungs­recht­lichen Gründen zu bewirken. Der Jugendschutz sowie die Wahrung des öffentlichen Anstandes sind legitime Gemeinwohlziele. Auch unterhalb der polizei­recht­lichen Gefah­ren­schwelle dürfen die betreffenden Schutzgüter vor erheblichen Beein­träch­ti­gungen bewahrt werden. Der Schutz des öffentlichen Anstands erfordert dabei, dass die Eigenart betroffener Gebiete durch eine besondere Schutz­be­dürf­tigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, gekennzeichnet ist, und dass daher eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen und milieubedingte Unruhe, wie z.B. das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lassen muss. Für den Erlass einer Verordnung genügt die Prognose, dass das verbotene Verhalten in hinreichender Weise die abstrakte Möglichkeit einer solchen Beein­träch­tigung begründet. Dass die Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung die abstrakte Möglichkeit einer Beein­träch­tigung des Jugendschutzes oder des öffentlichen Anstandes begründet, sofern sie im räumlichen Bezugsfeld von Gebieten stattfindet, die aufgrund ihrer Eigenart durch eine besondere Schutz­be­dürf­tigkeit und Sensibilität gekennzeichnet sind, steht außer Frage. Nach den Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs befinden sich in dem in Rede stehenden Gebiet jedenfalls Kinder­ta­gess­tätten und eine Schule sowie Wohnanlagen. Das Gebiet ist schon deswegen durch eine besondere Schutz­be­dürf­tigkeit und Sensibilität gekennzeichnet.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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