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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil05.05.2011
EuGH: Berufen auf Unionsbürgerschaft bei noch nie ausgeübtem Recht auf Freizügigkeit zur Legalisierung des Aufenthalts eines Dritten nicht möglichKein Zusammenhang mit Unionsrecht gegeben, sofern Recht auf Aufenthalt und Freizügigkeit in Mitgliedsstaat nicht beeinträchtigt ist
EU-Bürger, die noch nie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, können sich nicht auf die Unionsbürgerschaft berufen, um den Aufenthalt ihres aus einem Drittstaat stammenden Ehegatten zu legalisieren. Solange diesen Personen nicht ihr Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, verwehrt wird, steht ihre Situation in keinerlei Zusammenhang mit dem Unionsrecht. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Das Unionsrecht erlaubt dem Ehegatten eines Angehörigen eines Mitgliedstaats, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, bei diesem zu bleiben, und zwar auch dann, wenn der Ehegatte nicht die Staatsangehörigkeit eines Staats der Union besitzt.
Sachverhalt
Shirley McCarthy, eine Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs, besitzt auch die irische Staatsangehörigkeit. Sie ist im Vereinigten Königreich geboren und hat stets dort gelebt, ohne jemals ihr Recht, sich im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten der Union frei zu bewegen und aufzuhalten, ausgeübt zu haben. Nach ihrer Eheschließung mit einem jamaikanischen Staatsangehörigen beantragte Frau McCarthy zum ersten Mal überhaupt einen irischen Reisepass, der ihr ausgestellt wurde. Daraufhin beantragte sie als irische Staatsangehörige, die sich im Sinne des Unionsrechts im Vereinigten Königreich aufhalten möchte, bei den britischen Behörden eine Aufenthaltsurkunde. Ihr Ehemann beantragte eine Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer Unionsbürgerin. Ihre Anträge wurden mit der Begründung abgelehnt, Frau McCarthy könne ihren Aufenthalt nicht auf das Unionsrecht stützen und sich nicht auf dieses Recht berufen, um den Aufenthalt ihres Ehegatten zu legalisieren, da sie noch nie ihr Recht, sich in anderen Mitgliedstaaten als dem Vereinigten Königreich zu bewegen und aufzuhalten, ausgeübt habe.
Nationales Gericht erbittet EuGH-Entscheidung zur Anwendung unionsrechtlicher Vorschriften beim Recht auf Freizügigkeit
Der mit diesem Rechtsstreit befasste Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Vereinigtes Königreich) fragt den Gerichtshof der Europäischen Union, ob sich auch Frau McCarthy auf die unionsrechtlichen Vorschriften berufen könne, die die Freizügigkeit von Personen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erleichtern sollen.
Richtlinie legt Bedingungen für Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit fest
In seinem Urteil erläutert der Gerichtshof zunächst, dass die Richtlinie über die Freizügigkeit von Personen festlegt, wie und unter welchen Bedingungen die Unionsbürger ihr Recht auf Freizügigkeit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausüben können. So betrifft die Richtlinie Fälle, in denen sich eine Person in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, begibt oder sich dort aufhält.
Richtlinie auf Situation von Frau McCarthy nicht anwendbar
Der Gerichtshof weist hierzu darauf hin, dass nach einem völkerrechtlichen Grundsatz, der durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bekräftigt wurde, der Aufenthalt von Unionsbürgern, die – wie Frau McCarthy – in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, in diesem Mitgliedstaat nicht an Bedingungen geknüpft ist. Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Richtlinie 2004/38 nicht dazu bestimmt sein kann, auf diese Personen Anwendung zu finden.
Auch der Umstand, dass ein Unionsbürger die Staatsangehörigkeit mehr als eines Mitgliedstaats besitzt, bedeutet nicht, dass er von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte. Folglich entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie auf die Situation von Frau McCarthy nicht anwendbar ist. In Bezug auf den Ehemann von Frau McCarthy stellt der Gerichtshof fest, dass, da er nicht der Ehegatte eines Angehörigen eines Mitgliedstaats ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, auch er die durch die Richtlinie verliehenen Rechte nicht in Anspruch nehmen kann.
Berufen McCarthy auf Rechte aus Unionsbürgerstatus gegenüber Herkunftsmitgliedstaat möglich
Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Person wie Frau McCarthy als Staatsangehörige mindestens eines Mitgliedstaats den Unionsbürgerstatus genießt und sich daher auch gegenüber ihrem Herkunftsmitgliedstaat auf die mit diesem Status verbundenen Rechte berufen kann, insbesondere auf das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Dass die nationalen Behörden die irische Staatsangehörigkeit von Frau McCarthy für die Zwecke außer Acht gelassen haben, ihr ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich zuzuerkennen, berührt diese jedoch weder in ihrem Recht, im Vereinigten Königreich zu bleiben, noch in ihrem Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Auch bewirkt die nationale Entscheidung nicht, dass Frau McCarthy der tatsächliche Genuss des Kernbestands weiterer mit ihrem Unionsbürgerstatus verbundener Rechte verwehrt würde.
McCarthy kann Aufenthalt im Vereinigten Königreich nicht auf Rechte stützen, die an die Unionsbürgerschaft anknüpfen
Dementsprechend – so die Antwort des Gerichtshofs – steht die Situation von Frau McCarthy in Ermangelung nationaler Maßnahmen, die bewirken, dass ihr der tatsächliche Genuss des Kernbestands der sich aus dem Unionsbürgerstatus ergebenden Rechte verwehrt oder die Ausübung ihres Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, behindert würde, in keinerlei Zusammenhang mit dem Unionsrecht und fällt ausschließlich unter das nationale Recht. Demnach kann Frau McCarthy ihren Aufenthalt im Vereinigten Königreich nicht auf Rechte stützen, die an die Unionsbürgerschaft anknüpfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.05.2011
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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