Frau Sandy Siewert, Frau Emma Siewert und Frau Nele Siewert buchten bei dem Luftfahrtunternehmen Condor einen Flug von Antalya (Türkei) nach Frankfurt (Deutschland). Bei diesem Flug kam es zu einer Ankunftsverspätung von mehr als sechs Stunden. Condor trägt vor, diese Verspätung sei darauf zurückzuführen, dass das Flugzeug am Vorabend auf dem Stuttgarter Flughafen beschädigt worden sei. Ein Treppenfahrzeug sei gegen das Flugzeug gefahren und habe einen Flügel strukturell beschädigt, so dass das Flugzeug habe ersetzt werden müssen. Dabei handele sich um einen „außergewöhnlichen Umstand“, der sie von ihrer Ausgleichspflicht befreie. Das mit der Rechtssache befasste Amtsgericht Rüsselsheim (Deutschland) wollte vom Gerichtshof wissen, ob ein Vorkommnis wie die Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug als „außergewöhnlicher Umstand“ zu qualifizieren und das Luftfahrtunternehmen damit von seiner Ausgleichspflicht befreit ist.
In seinem Beschluss weist der Gerichtshof darauf hin, dass technische Probleme als außergewöhnliche Umstände angesehen werden können, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 22.12.2008 - C-549/07 -).
Zur Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug ist zu bemerken, dass Treppenfahrzeuge oder Gangways bei der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr notwendigerweise eingesetzt werden (um es diesen zu ermöglichen, aus dem Flugzeug ein- und auszusteigen), so dass die Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit Situationen konfrontiert sind, die sich aus dem Einsatz solcher Geräte ergeben. Deshalb ist die Kollision eines Flugzeugs mit einem Treppenfahrzeug als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist. Darüber hinaus deutet nichts darauf hin, dass der im vorliegenden Fall an dem Flugzeug entstandene Schaden durch einen außerhalb der normalen Flughafendienstleistungen liegenden Akt wie einen Sabotageakt oder eine terroristische Handlung (die unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ fallen) verursacht worden wäre.
Der Gerichtshof folgert daraus, dass ein solches Vorkommnis nicht als „außergewöhnlicher Umstand“ qualifiziert werden kann, so dass das Luftfahrtunternehmen in Anbetracht der großen Verspätung des Fluges nicht von seiner Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen befreit war.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.11.2014
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online