18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil02.03.2010

EuGH: EU-Mitgliedstaat darf durch Täuschung erschlichene Einbürgerung wieder entziehenRücknahme auch möglich, wenn die Verlust jeglicher Unions­bür­ger­schaft zur Folge hat

Die Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung kann zur Staaten­lo­sigkeit und damit zum Verlust der Unions­bür­ger­schaft führen, vorausgesetzt, dass sie den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahrt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Im zugrunde liegenden Fall beantwortet der Gerichtshof mit seinem Urteil eine Frage des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, das über den Fall des Herrn Rottmann zu entscheiden hat, der durch Geburt öster­rei­chischer Staatsbürger war und sich in Deutschland einbürgern ließ. Der Freistaat Bayern nahm seine Einbürgerung rückwirkend wieder zurück, weil er ein gegen ihn gerichtetes öster­rei­chisches Ermitt­lungs­ver­fahren verschwiegen und dadurch die Einbürgerung erschlichen habe. Nach öster­rei­chischem Recht hat Herr Rottmann durch seine Einbürgerung in Deutschland die österreichische Staats­bür­ger­schaft verloren, und die Rücknahme seiner Einbürgerung in Deutschland führt nicht dazu, dass er die österreichische Staats­bür­ger­schaft automatisch wiedererlangt.

Rücknah­me­ent­scheidung muss Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahren

Der Gerichtshof bestätigte, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union in Ausübung seiner Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit einem Unionsbürger die durch Einbürgerung verliehene Staats­an­ge­hö­rigkeit wieder entziehen kann, falls der Unionsbürger diese durch Täuschung erschlichen hat. Dies gilt auch, wenn eine solche Rücknahme zur Folge hat, dass der Betroffene die Unions­bür­ger­schaft verliert, weil er nicht mehr die Staats­an­ge­hö­rigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. In einem solchen Fall muss die Rücknah­me­ent­scheidung jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Betroffenem muss angemessene Frist eingeräumt werden, um Staats­an­ge­hö­rigkeit des Herkunfts­mit­glied­staats wieder­zu­er­langen

Der Gerichtshof bekräftigt damit die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit, wobei er daran erinnert, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit das Unionsrecht zu beachten haben. Insbesondere muss geprüft werden, ob die Rücknahme der Einbürgerung und der damit einhergehende Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt – darunter das Recht, sich auf das Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit zu berufen –, gerechtfertigt sind und in einem angemessenen Verhältnis stehen zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbür­ge­rungs­ent­scheidung und der Rücknah­me­ent­scheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staats­an­ge­hö­rigkeit wieder­zu­er­langen. Wurde die Staats­an­ge­hö­rigkeit durch Täuschung erschlichen, ist ein Mitgliedstaat nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, von der Rücknahme der Einbürgerung allein deshalb abzusehen, weil der Betroffene die Staats­an­ge­hö­rigkeit seines Herkunfts­mit­glied­staats nicht wiedererlangt hat. Das nationale Gericht hat allerdings zu beurteilen, ob die Beachtung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit es unter Berück­sich­tigung sämtlicher relevanter Umstände verlangt, dass dem Betroffenen vor Wirksamwerden einer derartigen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung eine angemessene Frist eingeräumt wird, damit er versuchen kann, die Staats­an­ge­hö­rigkeit seines Herkunfts­mit­glied­staats wieder­zu­er­langen.

Quelle: ra-online, EuGH

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