18.10.2024
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil22.07.2016

Kostentragungs­pflicht der Landes­hauptstadt München für selbst beschafften KrippenplatzKein Erlöschen der gesetzlichen Verpflichtung bei Selbst­be­schaffung eines Krippenplatzes

Der Bayerische Verwaltungs­gerichtshof (BayVGH) hat die Landes­hauptstadt München verpflichtet, über den von einem Kläger geltend gemachten Kostenersatz für einen selbst beschafften Kinderkrip­penplatz nach gerichtlichen Maßgaben neu zu entscheiden. Ein vorangegangenes Urteil des Verwal­tungs­ge­richts München hat der BayVGH abgeändert.

Die Landes­hauptstadt München als Trägerin der Jugendhilfe ist nach Auffassung des Gerichts gesetzlich verpflichtet, dem anspruchs­be­rech­tigten Kind entweder einen Platz in einer eigenen Kinder­ta­ges­ein­richtung zuzuweisen oder in einer Einrichtung eines anderen Trägers bzw. nach Wahl der Eltern in Kinder­ta­gespflege nachzuweisen, sofern ein entsprechender Bedarf rechtzeitig geltend gemacht wird. Erforderlich sei die Verschaffung bzw. Bereitstellung eines entsprechenden Platzes durch aktives Vermitteln des örtlich zuständigen Trägers. Trete der Erfolg dadurch ein, dass die Eltern einen Betreuungsplatz bei einem freien oder privaten Träger selbst beschaffen, erlösche die gesetzliche Verpflichtung nicht.

Gleich­be­hand­lungs­pflicht der Bürger

Der Jugend­hil­fe­träger sei verpflichtet, alle Bürger gleich zu behandeln. Er könne deshalb ohne Vorschaltung eines alle Interessenten gleichermaßen einbeziehenden Auswahl­ver­fahrens und ohne Festlegung sach- und inter­es­sen­ge­rechter Verga­be­kri­terien nicht einem Teil des anspruchs­be­rech­tigten Personenkreises einen "günstigen" Platz in einer eigenen oder kommunalen Einrichtung verschaffen, einen anderen, in gleicher Weise anspruchs­be­rech­tigten Personenkreis jedoch auf "weniger günstige" Einrichtungen eines freige­mein­nützigen Trägers oder gar "erheblich teurere" Einrichtungen eines privaten Trägers verweisen.

Erreichen der Kinder­ta­gesstätte muss zumutbar sein

Angemessen Rechnung getragen werde dem Anspruch regelmäßig nur dann, wenn der Betreuungsplatz vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreicht werden könne. In der Regel sei von der am nächsten gelegenen Einrichtung am Wohnort des Kindes auszugehen. Wünschenswert sei eine fußläufige Erreichbarkeit, allerdings sei es regelmäßig zumutbar, für den Weg zur Kinder­ta­ges­ein­richtung öffentliche Verkehrsmittel bzw. einen privaten PKW zu benutzen. Welche Entfernung zwischen Wohnort und Tagesstätte noch zumutbar sei, lasse sich nicht generell festlegen. Im konkreten Fall sei der angebotene Betreuungsplatz nicht in vertretbarer Zeit erreichbar gewesen. Allein der Zeitaufwand der erwerbstätigen Mutter für die Bewältigung des Hin- und Rückwegs hätte bei Nutzung von Bus und U-Bahn im Berufsverkehr zwei Stunden pro Tag betragen.

Aufwen­dungs­er­stat­tungs­pflicht des Jugend­hil­fe­trägers

Sei der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht imstande, einen (zumutbaren) Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, habe er den Eltern, die einen Betreuungsplatz selbst beschaffen, in der Regel diejenigen Aufwendungen zu erstatten, welche diese für erforderlich halten durften. Dies schließe vermeidbare Luxus­auf­wen­dungen aus. Abzusetzen seien etwaige ersparte (fiktive) Kostenbeiträge für einen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verschafften Betreuungsplatz. Es sei im konkreten Fall nicht ersichtlich, dass im monatlich angefallenen Betrag in Höhe von 1380 Euro "vermeidbare" Luxus­auf­wen­dungen enthalten seien. Die Eltern des Kindes hätten nur die Möglichkeit gehabt, den Leistungsumfang des privaten Anbieters zu akzeptieren oder auf dessen Angebot zu verzichten.

Kein von vorneherein ersichtlich gebotener "Luxus" bei Betrag der privaten Einrichtung i.H.v. 1.380 Euro

Zu bedenken sei auch, dass ein kommunaler Kinder­ta­gess­tät­tenplatz - ohne Aufwendungen für Gebäude - 1033 Euro koste. Der von der privaten Einrichtung erhobene Betrag von 1380 Euro lasse deshalb nicht von vornherein darauf schließen, dass dort "Luxus" geboten würde, zumal gerade in München hohe Gebäudekosten anfielen. Gegen ein übertriebenes Luxusangebot spreche ebenso, dass der Stundensatz in der privaten Einrichtung lediglich acht Euro betrage.

Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof/ ra-online

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