23.11.2024
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Dokument-Nr. 25044

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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.10.2017

BVerwG zum Ersatz von Aufwendungen für einen selbst­be­schafften Platz in einer Kinder­tages­einrichtungTräger der öffentlichen Jugendhilfe ist nicht zum Nachweis eines kostenfreien oder zumindest kostengünstigen Betreuungsplatz verpflichtet

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem Kind einen seinem individuellen Bedarf entsprechenden Betreuungsplatz nachweisen muss. Versäumt er dies, muss er gleichwohl die Aufwendungen für einen selbst­be­schafften Betreuungsplatz nicht übernehmen, wenn diese Kosten von dem Kind bzw. seinen Eltern auch bei rechtzeitigem Nachweis zu tragen gewesen wären.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Mutter des im August 2011 geborenen Klägers zeigte bei der Landes­hauptstadt München, der Beklagten, an, dass der Kläger ab dem 1. April 2014 einen Vollzeit­be­treu­ungsplatz benötige. Daraufhin wies ihr die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe Ende Januar 2014 freie Plätze bei insgesamt sechs Tages­pfle­ge­personen nach. Die Mutter des Klägers lehnte die Plätze ab, weil diese entweder zu früh schließen würden oder an einem Tag nicht geöffnet seien. Am 5. Februar 2014 meldeten die Eltern des Klägers diesen in einer privaten Tages­ein­richtung an. Auf der Grundlage des Betreu­ungs­ver­trages wurde der Kläger ab dem 1. April 2014 in dieser Einrichtung in einem Umfang von 40 Wochenstunden frühkindlich gefördert. Dafür war ein Beitrag von monatlich 1.380 Euro zu entrichten.

Verfahrensgang

Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage auf Erstattung eines Teils des entrichteten Beitrags ab. Auf die Berufung des Klägers hob der Verwal­tungs­ge­richtshof das erstin­sta­nzliche Urteil teilweise auf und sprach insoweit dem Grunde nach Aufwen­dungs­ersatz zu.

Anspruch auf Übernahme erforderlicher Aufwendungen für selbst­be­schafften Platz grundsätzlich möglich

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht stellte letztlich das erstin­sta­nzliche Urteil wieder her. Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für einen selbst­be­schafften Platz in einer Kindertageseinrichtung kann grundsätzlich aus einer entsprechenden Anwendung des § 36 a Abs. 3 Satz 1 des Achten Buches Sozial­ge­setzbuch (SGB VIII) folgen, wenn der Leistungs­be­rechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbst­be­schaffung rechtzeitig über den Bedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bereits mit Urteil vom 12. September 2013 entschieden.

Recht zur Wahl zwischen Tages­ein­richtung und Kinder­ta­gespflege besteht nicht

Die Voraussetzungen dieses Anspruchs waren hier erfüllt. Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, haben gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres Anspruch darauf, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ihnen einen ihrem Bedarf entsprechenden Betreuungsplatz nachweist. Ein Recht, zwischen dem Nachweis eines Platzes in einer Tages­ein­richtung und in Kinder­ta­gespflege zu wählen, besteht hingegen ebenso wenig wie ein Wahlrecht zwischen einem Platz in einer Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Trägers und einer Betreuung in einer privaten Einrichtung. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist bundesrechtlich nicht verpflichtet, dem Kind einen kostenfreien oder zumindest kostengünstigen Betreuungsplatz nachzuweisen. Ob der im Fall seiner Inanspruchnahme zu entrichtende Beitrag im Einzelfall finanziell zumutbar ist, ist nicht Gegenstand des Nachweis­ver­fahrens.

Nachgewiesene Betreu­ungs­stelle darf grundsätzlich nicht mit unzumutbaren finanziellen Belastungen verbunden sein

Zwar darf der von § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verliehene Anspruch auf eine möglichst optimale Kinderbetreuung nicht dadurch gefährdet oder gar vereitelt werden, dass die Inanspruchnahme der nachgewiesenen Betreu­ungs­stellen mit unzumutbaren finanziellen Belastungen verbunden wäre. Der Gesetzgeber hat sich aber dafür entschieden, dass die finanzielle Zumutbarkeit erst in einem eigenständigen Verfahren nach § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII zu prüfen ist. Danach soll u.a. ein in einer privaten Einrichtung zu entrichtender Teilnah­me­beitrag ganz oder teilweise von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Belastung dem Kind und den Eltern nicht zuzumuten ist. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ist dem Zweck des Anspruchs auf Betreuung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII mit besonderem Gewicht Geltung zu verschaffen.

Kläger können nicht anteilige Übernahme der Aufwendungen für selbstgewählt Tages­ein­richtung verlangen

Obwohl die Selbst­be­schaffung hier zulässig war, kann der Kläger nicht die Übernahme eines Teiles des für die Nutzung der gewählten Tages­ein­richtung entrichteten Beitrags verlangen. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe muss nur diejenigen Aufwendungen für einen selbst­be­schafften Betreuungsplatz übernehmen, die der Leistungs­be­rechtigte im Falle des rechtzeitigen Nachweises nicht hätte tragen müssen. Hätte die Beklagte dem Kläger den von diesem beschafften Betreuungsplatz nachgewiesen, hätte sie ihrer Nachweispflicht mit der Folge genügt, dass der Kläger den vereinbarten Teilnah­me­beitrag ebenfalls hätte entrichten müssen. Ob dieser Beitrag hinsichtlich der Höhe zumutbar war oder nach § 90 Abs. 3 SGB VIII (teilweise) zu übernehmen gewesen wäre, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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