21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.07.2016

Bundes­verwaltungs­gericht erklärt Plan­feststellungs­beschluss für Wald­schlösschen­brücke für teilweise rechtswidrigNachträglichen FFH-Verträg­lichkeits­prüfung erforderlich

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat den Plan­feststellungs­beschluss der Landesdirektion Sachsen vom 25. Februar 2004 in der Gestalt verschiedener Änderungs­be­scheide für den Bau der Wald­schlösschen­brücke in Dresden für rechtswidrig erklärt.

Dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss lag eine "Gefähr­dungs­ab­schätzung/Vorprüfung" in Bezug auf damals noch nicht an die EU-Kommission gemeldete Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiete zugrunde. Erst nach Planfest­stel­lungs­erlass wurden die Gebiete im Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemein­schaft­licher Bedeutung aufgenommen. Ferner wurde das Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg unter Aussparung eines Teils der Elbwiesen in der Innenstadt von Dresden zum Europäischen Vogel­schutz­gebiet erklärt.

Sachverhalt

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist ein in Sachsen anerkannter Natur­schutz­verein. Er hatte im April 2004 vor dem Verwal­tungs­gericht Dresden Klage gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss erhoben. Einen zugleich gestellten Antrag auf Eilrechtsschutz hat das Sächsische Oberver­wal­tungs­gericht im November 2007 unter Auflagen für den Fleder­maus­schutz endgültig abgelehnt. In der Folge wurde das Bauwerk zwischen Ende 2007 und 2013 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Parallel zu den Bauarbeiten und dem laufenden Klageverfahren nahm die Landesdirektion Dresden mit Änderungs­be­scheid vom 14. Oktober 2008 eine Neubewertung der FFH-Verträglichkeit vor. Diese führte nunmehr zur Annahme einer erheblichen Beein­träch­tigung und damit zu einer Ausnah­me­zu­lassung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie.

Verwal­tungs­gericht weist Klage ab

Das Verwal­tungs­gericht Dresden wies die Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2008 ab und ließ die Berufung zu. Im Laufe des Berufungs­ver­fahrens wurde der Planfest­stel­lungs­be­schluss im Jahre 2010 erneut unter Inanspruchnahme einer Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie geändert.

OVG weist Berufung des Klägers zurück

Mit Urteil vom 15. Dezember 2011 hat das Sächsische Oberver­wal­tungs­gericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und gleichzeitig die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der Kläger rügt mit seiner Revision Verfah­rens­verstöße des Oberver­wal­tungs­ge­richts sowie Verstöße des Planfest­stel­lungs­be­schlusses gegen das Natur­schutzrecht, insbesondere das FFH- und das Vogel­schutzrecht.

EuGH erklärt Fortsetzung des Projekts nur bei Ausschluss einer Verschlech­terung der Lebensräume für zulässig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im März 2014 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur FFH-Richtlinie vorgelegt (Beschluss vom 6. März 2014 - BVerwG 9 C 6.12 -). Der Gerichtshof hatte mit Urteil vom 14. Januar 2016 (Az. C-399/14) über die Vorlage entschieden. Dabei stellte der Gerichtshof klar, dass die Ausführung eines Projekts, das - wie im vorliegenden Fall - vor einer Gebiets­aus­weisung genehmigt wurde, nach der Gebietslistung unter das sogenannte Verschlech­te­rungs­verbot des Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie fällt. Ein solches Projekt darf nur dann fortgesetzt werden, wenn eine Verschlech­terung der Lebensräume und eine Störung von Arten ausgeschlossen ist.

BVerwG verweist auf Fehlen einer arten­schutz­recht­lichen Prüfung

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht kam zu dem Ergebnis, dass sich im vorliegenden Fall aus dem Verschlech­te­rungs­verbot eine Pflicht zur Durchführung einer nachträglichen FFH-Verträg­lich­keits­prüfung ergibt. Da das Vorhaben über eine Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie zugelassen werden soll, muss diese den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie entsprechen. Eine solche Untersuchung fehlt bislang. Ferner fehlt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende arten­schutz­rechtliche Prüfung. Demgegenüber konnte der Kläger mit weiteren Einwendungen nicht durchdringen. Die Landesdirektion Dresden hat nun ein ergänzendes Verfahren durchzuführen, um die festgestellten Mängel zu beheben. Die weitere Nutzung der Brücke bis zum Abschluss dieser Prüfung war nicht Gegenstand des Revisi­ons­ver­fahrens vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Art. 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) - FFH-Richtlinie - lautet:

"(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhal­tungs­maß­nahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwick­lungspläne integrierte Bewirt­schaf­tungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlech­terung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhal­tungs­zielen. Unter Berück­sich­tigung der Ergebnisse der Verträg­lich­keits­prüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzel­staat­lichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträg­lich­keits­prüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaft­licher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alter­na­tiv­lösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichs­maß­nahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichs­maß­nahmen. Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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