18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss29.05.2007

UNESCO-Welterbe: Verfas­sungs­be­schwerde der Stadt Dresden in Sachen „Waldsch­löss­chen­brücke“ ohne ErfolgWelter­be­kon­vention steht nicht notwendiger Weise Umsetzung eines Bürge­r­ent­scheids entgegen

Die Verfas­sungs­be­schwerde der Stadt Dresden, mit der die Stadt den Bau einer Elbtalbrücke verhindern wollte, ist gescheitert. Das Gericht nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an.

Im August 1996 beschloss der Stadtrat von Dresden den Bau einer Brücke über die Elbe, der so genannten Waldsch­löss­chen­brücke. Nachdem aufgrund geänderter Mehrheits­ver­hältnisse im Stadtrat der Bau der Brücke in Frage stand, sprach sich im Februar 2005 die Mehrheit der Bürger von Dresden im Wege eines Bürge­r­ent­scheids für den Bau der Brücke aus. Im Juli 2006 setzte das Welterbekomitee das Elbtal, das 2004 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen worden war, wegen des beabsichtigten Baus der Waldsch­löss­chen­brücke auf die „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“. Durch mehrere Beschlüsse des Stadtrates wurde der Oberbür­ger­meister von Dresden daraufhin beauftragt, die Vergabe von Bauleistungen und den Baubeginn der Brücke auszusetzen und mit der UNESCO Gespräche zu führen, um den Welterbestatus zu erhalten. Hierauf ordnete das Regie­rungs­prä­sidium als Rechts­auf­sichts­behörde an, unverzüglich die Bauaufträge für den Bau der Brücke zu erteilen, um den Bürgerentscheid zu verwirklichen. Da die Stadt Dresden dieser Anordnung nicht nachkam, traf das Regie­rungs­prä­sidium selbst die für den Bau der Brücke erforderlichen Verga­be­ent­schei­dungen und erklärte die Entscheidung für sofort vollziehbar. Der Antrag der Stadt Dresden auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde vom Sächsischen Oberver­wal­tungs­gericht abgelehnt.

Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde der Stadt Dresden, verbunden mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, wurde von der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Entscheidung des Sächsischen Oberver­wal­tungs­ge­richts verletzt die Stadt Dresden nicht in ihrem Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rechts­schutz­ga­rantie).

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat zwar lediglich eine vorläufige Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide des Regie­rungs­prä­sidiums vorgenommen. Zu einer abschließenden Prüfung war es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfas­sungs­rechtlich aber auch nicht verpflichtet. Es hat die Erfolgs­aus­sichten in der Hauptsache eingehend geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine offensichtliche Rechts­wid­rigkeit der in der Hauptsache angegriffenen Entscheidungen des Regie­rungs­prä­sidiums nicht festzustellen sei.

Selbst wenn das Gericht im Haupt­sa­che­ver­fahren zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Welter­be­kon­vention formal wirksam in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden ist, stünden völker­ver­tragliche Verpflichtungen einer Entscheidung für die Umsetzung des Bürge­r­ent­scheides nicht notwendig entgegen. Die Welter­be­kon­vention bietet nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung der eingetragenen Stätten des Kultur- und Naturerbes. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens haben ausdrücklich die Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich die geschützten Stätten befinden, und die bestehenden Eigentumsrechte anerkannt. Die Erfüllung des Schutzauftrages ist zuvörderst Aufgabe der Vertragsstaaten. In seiner internationalen Dimension konkretisiert sich der Schutzauftrag in der „Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe, das die Vertragsstaaten in ihren Bemühungen um die Erhaltung und Erfassung (des Kultur- und Naturerbes) unterstützen soll“. In Anbetracht dieses völker­recht­lichen Rahmens ist es verfas­sungs­rechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille, als authentische Ausdrucksform unmittelbarer Demokratie, in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kultur­land­schaft durchsetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zuvor in einem Verhand­lungs­prozess erfolglos nach einer Kompro­miss­lösung gesucht wurde. Als Folge müssen dann die möglichen Nachteile aus der Entscheidung – wie etwa der Verlust des Welterbestatus und ein damit einhergehender Ansehensverlust – in Kauf genommen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 63/07 des BVerfG vom 06.06.2007

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