24.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil04.04.2012

Bundes­ver­wal­tungs­gericht erklärt Nachtflüge am Frankfurter Flughafen weiterhin für unzulässigRegelung im Planfest­stel­lungs­be­schluss genügt besonderen Anforderungen an Nachtlärmschutz der Bevölkerung nicht

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat letzt­in­sta­nzlich über Musterklagen gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt Main, insbesondere der Anlegung einer neuen Landebahn, entschieden. Das Gericht erklärte die planmäßigen Flüge in der Mediationsnacht für weiterhin unzulässig und beschränkte das Kontingent für die Gesamtnacht auf durch­schnittlich 133 Flüge. Darüber hinaus muss der Schallschutz für gewerbliche Grundstücke nachgebessert werden.

Im Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt Main sind für die Gesamtnacht (22.00 bis 6.00 Uhr) - auf das Kalenderjahr bezogen - durch­schnittlich 150 planmäßige Flugbewegungen je Nacht zugelassen. In der so genannten Mediationsnacht (23.00 bis 5.00 Uhr) sind durch­schnittlich 17 planmäßige Flugbewegungen von Luftfahrzeugen im ausschließ­lichen Luftfracht­verkehr bzw. Luftpostverkehr sowie übergangsweise und nachrangig auch Touristik- und Passagierflüge zugelassen.

VGH: Land Hessen muss über Zulässigkeit geplanter Nachtflüge neu entscheiden

In den acht Muster­kla­ge­ver­fahren der Städte Offenbach am Main, Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg, Raunheim und Rüsselsheim sowie von Privatpersonen, Gewer­be­trei­benden und einer kommunalen Klinik hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel das beklagte Land Hessen mit Urteil vom 21. August 2009 verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr und über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durch­schnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht neu zu entscheiden, und den Planfest­stel­lungs­be­schluss insoweit aufgehoben. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.

Nächtliche Flüge zwischen 23.00 bis 5.00 Uhr weiterhin unzulässig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das erstin­sta­nzliche Urteil im Wesentlichen bestätigt: In der Mediationsnacht (23.00 bis 5.00 Uhr) sind Flüge bis zu einer Neubescheidung (weiterhin) unzulässig. Die Zulassung von 17 planmäßigen Flügen in der Mediationsnacht, die im ursprünglichen Betriebskonzept nicht vorgesehen waren, war allerdings - anders als vom Verwal­tungs­ge­richtshof angenommen - bereits wegen fehlender Anhörung der Betroffenen aufzuheben. Zu Recht hat der Verwal­tungs­ge­richtshof die Regelung als abwägungs­feh­lerhaft beanstandet, weil sie den besonderen Anforderungen an den Nachtlärmschutz der Bevölkerung nicht genügt. Bundesrechtlich unbedenklich ist auch, dass der Verwal­tungs­ge­richtshof dem Grundsatz in Nr. III 1 der Landes­ent­wick­lungsplan-Änderung 2007 die Wirkung einer „konkre­ti­sie­renden Gewich­tungs­vorgabe" beigemessen hat, die als grundsätzliches Verbot planmäßiger Flüge in der Mediationsnacht zu verstehen sei und den Gestal­tungs­spielraum sehr weit - auf annähernd Null - einschränke. Der planerische Spielraum des beklagten Landes bei der Neuregelung des Flugbetriebes in der Mediationsnacht ist dementsprechend gering.

Anzahl der Flüge in den Nachtrand­s­tunden auf durch­schnittlich 133 planmäßige Flüge pro Kalenderjahr beschränkt

Hinsichtlich der so genannten Nachtrand­s­tunden (22.00 bis 23.00 Uhr und 5.00 bis 6.00 Uhr) ist das Gericht über die Beanstandung durch die Vorinstanz hinausgegangen. Ab sofort dürfen in dieser Zeit nicht mehr durch­schnittlich 150, sondern nur noch - auf das Kalenderjahr bezogen - durch­schnittlich 133 planmäßige Flüge stattfinden. Über die Zulassung eines darüber hinausgehenden Kontingents hat das beklagte Land neu zu entscheiden. Sollte es sich dazu entschließen, das Kontingent von durch­schnittlich 133 Flügen wieder zu erhöhen, hat es zu beachten, dass die Nachtrand­s­tunden nicht als bloße Verlängerung des Tagflug­be­triebes angesehen werden dürfen. Selbst im Falle eines nahezu vollständigen Flugverbots in den Kernstunden der Nacht bleibt die Verhält­nis­mä­ßigkeit nur gewahrt, wenn das Konzept eines zum Kern der Nacht hin abschwellenden und danach wieder ansteigenden Flugverkehrs auch in diesem Zeitsegment durchgehalten und durch geeignete Vorkehrungen effektiv und konkret begrenzt wird. Absehbare tagähnliche Belas­tungs­spitzen in den einzelnen Nachtrand­s­tunden oder in längeren, insbesondere kernzeitnahen Zeitabschnitten müssen deswegen in den jeweils betroffenen Überflug­ge­bieten vermieden werden.

Schutzkonzept des Planfest­stel­lungs­be­schlusses zur Zumut­ba­r­keits­grenze fluglärm­be­dingter Beein­träch­ti­gungen von Gewer­be­be­trieben muss nachgebessert werden

Zu korrigieren war das erstin­sta­nzliche Urteil auch, soweit der Verwal­tungs­ge­richtshof das Schutzkonzept des Planfest­stel­lungs­be­schlusses für gewerbliche Anlagen gebilligt hat. Der Schutz gewerblicher Anlagen ist im FluglärmG nicht geregelt. Es ist deshalb Aufgabe der Planfest­stel­lungs­behörde, die fachplanerische Zumut­ba­r­keits­grenze fluglärm­be­dingter Beein­träch­ti­gungen von Gewer­be­be­trieben selbst zu bestimmen und auf dieser Grundlage dem Vorhabenträger im Planfest­stel­lungs­be­schluss diejenigen Schutzmaßnahmen aufzuerlegen, die zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Gewer­be­grund­stücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Das an die Kriterien des Arbeits­s­tät­ten­rechts anknüpfende Schutzkonzept des Planfest­stel­lungs­be­schlusses genügt diesen Anforderungen nicht. Auch in diesem Punkt bedarf der Planfest­stel­lungs­be­schluss der Nachbesserung.

Im Übrigen hat der Verwal­tungs­ge­richtshof die Entscheidung des beklagten Landes Hessen für den planfest­ge­stellten Ausbau des Flughafens Frankfurt Main zu Recht nicht beanstandet.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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