18.10.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil21.08.2009

Flughafen Frankfurt am Main: Musterklagen gegen den Bau der neuen Landebahn überwiegend abgewiesenNeue Entscheidung über Nachtflüge erforderlich

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat durch mehrere Urteile die Musterklagen gegen den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main zum überwiegenden Teil abgewiesen. Erfolgreich war ein Teil der Musterklagen, die sich gegen einzelne Nacht­flu­g­re­ge­lungen richteten.

Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landes­ent­wicklung hat den Plan für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main festgestellt. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss sieht vor, eine neue Landebahn nordwestlich des Flughafens zu errichten. Außerdem soll ein drittes Terminal gebaut und das Fracht- und Wartungszentrum im Süden des Flughafens erweitert werden.

Planrecht­fer­tigung ist gegeben

Zur Begründung der Entscheidungen führt das Gericht aus, dem Plan für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main stünden keine grundsätzlichen Bedenken entgegen. Die für jede Planung erforderliche Planrecht­fer­tigung sei gegeben. Mit dem Bau der neuen Landebahn werde einem aktuellen Kapazi­täts­engpass begegnet und zugleich Sorge dafür getragen, dass die fehlerfrei prognostizierte Luftver­kehr­s­nachfrage (701.000 Flugbewegungen bei über 80 Mio Passagieren und über 4 Mio Tonnen Fracht) gedeckt werden könne. Mit dem Ausbau werde der Luftver­kehr­s­s­tandort Frankfurt als Drehkreuz des internationalen Flugverkehrs gesichert und gestärkt. Im öffentlichen Interesse lägen auch die wirtschaft­lichen Effekte, die mit dem Projekt ausgelöst würden. Den mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen habe das Ministerium als Planfest­stel­lungs­behörde ohne Abwägungsfehler den Vorrang vor den Belangen der insbesondere durch Fluglärm betroffenen Nachbarschaft eingeräumt. Die grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Ausbaus des Flughafens und die damit zwangsläufig verbundene Zurücksetzung der entge­gen­ste­henden Belange der Betroffenen seien dem Kernbereich der planerischen Gestal­tungs­freiheit zuzurechnen. Dem Gericht sei es verwehrt, diese politisch-planerische Entscheidung des Landes durch eine eigene Ermes­sens­be­tä­tigung im Sinne einer eigenen Planungs­ent­scheidung zu ersetzen. Die behördliche Abwägung beruhe auch nicht, wie vielfach eingewendet werde, auf fehlerhaften Ermittlungen. Die Planfest­stel­lungs­behörde habe vielmehr die von dem Flughafen insgesamt ausgehenden Immissionen sowie sonstigen Risiken und Nachteile in dem gebotenen Umfang ordnungsgemäß ermittelt und bewertet.

Beanstandungen an der Nacht­flu­g­re­gelung

Rechtlich beanstandet hat der Gerichtshof allerdings Teile der Nacht­flu­g­re­gelung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses, der durch­schnittlich 150 planmäßige Flugbewegungen in einer Nacht erlaube, von denen 17 auf die Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr, die sogenannte Mediationsnacht, entfallen dürfen. Die Zulassung der 17 Flüge in der Mediationsnacht sei nicht mit dem gesetzlich gebotenen Schutz der Bevölkerung vor nächtlichem Fluglärm zu vereinbaren, urteilten die Richter. Auf die Nachtruhe sei in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Diesem Gebot trage der Planfest­stel­lungs­be­schluss nicht hinreichend Rechnung. Die von der Planfest­stel­lungs­behörde als Rechtfertigung für die Regelung vorgetragenen Gründe hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand; insbesondere verliere der Ausbauplan ohne die Zulassung von planmäßigen Flügen in der Mediationsnacht nicht seine innere Konsistenz. Das folgt nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs schon daraus, dass die Fraport AG im Verwal­tungs­ver­fahren die Zulassung des Projekts für ein Betriebskonzept ohne planmäßige Flüge in der Mediationsnacht beantragt hatte. Der durch das Luftver­kehrs­gesetz gebotene Schutz der Nachtruhe werde durch den im Jahr 2007 geänderten Landes­ent­wick­lungsplan ergänzt und verstärkt. In der Begründung dieses Plans, der von der Landesregierung in der Gestalt einer Rechtsnorm erlassen worden sei, werde dem Verbot planmäßiger Flüge in der Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr ein so erhebliches Gewicht beigemessen, dass daraus eine Abwägungs­di­rektive folge, die der Planfest­stel­lungs­behörde kaum einen Spielraum für die Zulassung planmäßiger Flüge in der Mediationsnacht lasse. Der Senat verkenne nicht, dass erhebliche wirtschaftliche Interessen für die Durchführung von Frachtflügen in der Kernzeit der Nacht sprächen. Dem stehe aber auch eine außer­or­dentliche Lärmbelastung gegenüber, der eine Vielzahl von Menschen in der Umgebung des Flughafens ausgesetzt sei. Beanstandet haben die Richter auch die Regelung für die sogenannten Nachtrand­s­tunden (von 22.00 bis 23.00 und von 5.00 bis 6.00 Uhr) insoweit, als die Zahl der 150 zugelassenen Flugbewegungen auf den Jahres­durch­schnitt bezogen ist. Dies ermögliche es, Flüge von der Winter­flug­plan­periode in die Hauptreisezeit zu verlegen, wodurch es zu einer besonders nachteiligen Bündelung von Flügen in einzelnen Nächten kommen könne.

Beanstandungen zu Nacht­flu­g­re­ge­lungen führen nicht zu Aufhebung des Ausbauplans

Die von dem Gericht beanstandeten Nacht­flu­g­re­ge­lungen führten jedoch nicht zu einer Aufhebung des gesamten Ausbauplans, weil diese Mängel im Wege einer Planergänzung ausgeräumt werden könnten. Deshalb habe sich das Gericht insoweit darauf beschränkt, das beklagte Land Hessen zu verpflichten, über diese Regelungen - unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts – neu zu entscheiden.

Keine Grenz­wert­über­schreitung durch Neubau

Im Übrigen bestünden gegen die Rechtmäßigkeit des Plans keine Bedenken. Die sonstigen Lärmschutz­belange der Betroffenen seien ordnungsgemäß ermittelt und nach Maßgabe des neuen Fluglärm­schutz­ge­setzes berücksichtigt worden. Auch die zu erwartende Schad­s­toff­be­lastung stehe dem Ausbauplan nicht entgegen. Soweit es zu Grenz­wert­über­schrei­tungen komme, die im Übrigen schon gegenwärtig festzustellen seien, müsse dem mit Maßnahmen der allgemeinen Luftrein­hal­te­planung begegnet werden. Auch das Risiko eines Flugzeu­g­ab­sturzes oder gar eines Störfalles bewege sich im Rahmen allgemeiner gesell­schaft­licher Akzeptanz. Dies gelte insbesondere für das Tanklager Raunheim. Planerisch bewältigt sei auch die Problematik des sogenannten Vogelschlags. Bei Landeanflügen aus westlicher Richtung würden die Flugzeuge auf dem Weg zur geplanten neuen Landebahn den Main zwar in einer Höhe überqueren, die ein erhöhtes Vogel­flug­ge­schehen erwarten lasse. Dieser Problematik habe die Planfest­stel­lungs­behörde aber durch Anordnung eines Überwachungs- und Vorwarnsystems Rechnung getragen. Dieses Konzept ist nach Auffassung des Gerichts geeignet, das Risiko eines Vogelschlags auf das sonst übliche und gesell­schaftlich akzeptierte Maß zu reduzieren.

Keine Gefahr durch Schad­s­tof­f­aus­wirkung

Der Planfest­stel­lungs­be­schluss verstoße nicht gegen natur­schutz­rechtliche Vorschriften. Die nach europäischem Recht (FFH- und Vogel­schutz­richtlinie) geschützten Gebiete "Kelsterbacher Wald" und "Mark- und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Walldorf" würden zwar durch Inanspruchnahme von Flächen erheblich beeinträchtigt. Infolge des Habitat­ver­lustes seien auch dort geschützte Arten, insbesondere der Hirschkäfer, einer wesentlichen Beein­träch­tigung ausgesetzt. Eine weitergehende Beein­träch­tigung infolge des Eintrags von Schadstoffen oder der Störung der Vogelwelt durch Fluglärm habe die Planfest­stel­lungs­behörde aber zu Recht ausgeschlossen.

Kein Verstoß gegen natur­schutz­rechtliche Vorschriften

Trotz der erheblichen Beein­träch­tigung der genannten FFH-Gebiete sei das Vorhaben zulässig, weil der Planfest­stel­lungs­be­schluss eine rechtmäßige Ausnah­me­re­gelung getroffen habe. Das gelte auch für den Bereich des Artenschutzes, falls insoweit Verbot­s­tat­be­stände erfüllt sein sollten. Durch den Ausbauplan werde kein "faktisches Vogel­schutz­gebiet" berührt, weil die ausgewiesenen Gebiete ordnungsgemäß abgegrenzt worden seien. Da kein Verstoß gegen natur­schutz­rechtliche Vorschriften festzustellen sei, habe das Gericht die Klage des BUND insgesamt abgewiesen.

Klage der Lufthansa abgewiesen

Abgewiesen wurde auch die Klage der Lufthansa AG und der Lufthansa Cargo AG. Das Begehren, die Nacht­flu­g­re­gelung zu erweitern und insbesondere mehr als 17 planmäßige Flüge in der Mediationsnacht zuzulassen, könne keinen Erfolg haben, weil schon die zugelassenen Flüge nicht mit den Anforderungen des Abwägungsgebots unter Berück­sich­tigung des gesetzlichen Nacht­lärm­schutzes und der Vorgaben der Landesplanung zu vereinbaren seien.

Quelle: ra-online, Hessischer VGH

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